Metadaten

Hampe, Roland; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1967, 1. Abhandlung): Kult der Winde in Athen und Kreta — Heidelberg, 1967

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44211#0033
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kult der Winde in Athen und Kreta

23

2. Wir kommen zu unserer zweiten Vermutung: Sie betrifft den
Windkult auf Kreta. Wir erinnern uns des Opfers an die Winde in
Titane bei Korinth. Auffallend ist die Vierzahl der Bothroi, in die
dort geopfert wurde. Während sonst bei magischen Bräuchen die
Drei- und die Neunzahl eine besondere Rolle spielen, wird sich die
Vierzahl hier auf die vier Hauptwinde beziehen61. Die Vierzahl der
Bothroi in Titane läßt an eine bestimmte Stelle auf Kreta denken. Es
handelt sich um die Höhle von Amnisos, deren archäologische Er-
schließung wir Spyridon Marinatos verdanken. Er hat sie mit der
von Homer in der Odyssee (19, 188ff.) genannten Höhle der Eilei-
thyia gleichgesetzt62. Es heißt dort:
και γάρ τον Κρήτηνδε κατήγαγεν ΐς άνέμοιο
ίέμενον Τροιήνδε παραπλάγξασα Μαλειών
στήσε δ’ έν Άμνισω δθτ τε σπέος Είλειθυίης
έν λιμέσιν χαλεποΐσι, μόγις δ’ ύπάλυξεν άέλλας.
Amnisos war der nördliche Hafenplatz für Zentralkreta, insbeson-
dere für Knossos. Der Hafen war χαλεπός, weil er von schwierigen
Winden heimgesucht wurde. Odysseus gelangte (angeblich) dorthin,
weil ihn die Kraft des Windes dahin verschlug, und kaum entrann
er den Stürmen. In den vier Versen der Odyssee ist dreimal von
Winden und Stürmen die Rede. Nun fanden sich in der Tiefe der
Höhle von Amnisos vier Höhlungen. Marinatos beschreibt sie so63:
Όλίγον προ τοΰ τέρματος τού σπηλαίου καί υπό την ρίζαν σταλακτίτου
υπάρχει οπή δι’ ής μετά βίας χωρεΐ άνθρωπος. Ή οπή αυτή άγει εις υπό
τό έδαφος τοΰ σπηλαίου άνοιγμένας κοιλότητας α'ίτινες είναι τέσσαρες έν
συνόλω. Καί εντός αυτών άνευρέ-θησαν όστρακα. Vier Höhlungen also,
man könnte auch sagen: vier Bothroi, die Scherben von Tongefäßen
bargen. Haben wir es hier etwa mit vier Opfergruben für die Winde
61 Anders erklärt sich die Vierzahl bei einem Beispiel aus dem römischen Wind-
kult. Im kleinen Hafen von Antium wurden vier Rundaltäre gefunden, von
denen drei in das Kapitolinische Museum gelangten, Helbig, Führer II4, 1966,
Nr. 1419 (Simon). Der eine ist inschriftlich als Ara Neptuni, der zweite als Ara
Ventorum (hier Taf. VIII), der dritte als Ara Tranquillitatis bezeichnet. Der
vierte ist verschollen. Er trug keine Aufschrift. War er etwa den Tempestatibus
geweiht? - Über weitere römische Windkultzeugnisse vgl. L. Robert, Hellenika 9
(1950) 60 mit Lit.
62 Πρακτ. 1932, 76ff.
63 Πρακτ. 1930, 93; AA. 1930, 156; 1931, 296. - Vgl. Marinatos-Hirmer, Kreta und
das mykenische Hellas (1959) 11. 67 Abb. 1/2 und Taf. 1; P. Faure, Fonctions
des cavernes cretoises (1964) 82ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften