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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 3. Abhandlung): Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie Tusculanen V 5: vorgetragen am 16. Dez. 1967 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44216#0028
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Hildebrecht Hommel

tuis (seil, philosophiae). Die ratiocinatio schließlich, das zweite theo-
retisch geforderte Glied des enthymema, folgt in freier Stellung der
conclusio, die dadurch in einem doppelt begründenden Relativsatz
nachträglich gerechtfertigt wird:
quae et vitae tranquillitatem largita nobis es
et terrorem mortis sustulisti18.
Das von dem Theoretiker Julius Victor geforderte bezw. erlaubte
Schema ist also klar und sauber, wenn auch in eigenwilliger Anord-
nung, erfüllt worden: die propositio fehlt, d. h. es ist dem Hörer
überlassen, sie sich zu ergänzen (weil er sie aus der quaestio generalis
entnehmen kann); das sola ratioematione exequi dominiert. Die An-
bringung der in einem Fragesatz versteckten, der ratiocinatio vor-
gespannten Schlußfolgerung schwebt zwischen einem conclusionem
superaddere und einem conclusionem praetermittere et sensibus iudi-
cis . . . relinquere. Nicht erwähnt ist freilich bei Julius Victor die mit
dem enthymema verbundene sententia™ (C 1). Aber auch sie wird
von Cicero in unserem Beispiel in freier Handhabung der überlie-
ferten Regeln angewandt, wobei hier unter den Gewährsmännern
kein Geringerer als Aristoteles20 obenan steht.
Danach soll die Sentenz kurz sein und als solche Genuß bereiten
{habet brevis expositio . . . magnam delectationem, Auct. ad Her.
IV 24)21. Sie wird ferner, wiewohl selber ein begründendes Element
im Rahmen des enthymema, gern noch von einer näheren Begrün-
dung gefolgt (wie wir für unser Beispiel bereits angedeutet haben22),
besonders wenn ihr Sinn nicht ohne weiteres verständlich ist: Aristo-
teles, Rhetor. II 21, 7 gg. E. περί δέ των . . . αδήλων (seil, γνωμών) . . .,
προστιθέντα τό διότι στρογγυλότατα (seil, τον ρήτορα έπειπεϊν δει). Daß
Cicero sich danach richtet, haben wir gesehen: daß nämlich seine
Sentenz notorisch άδηλος ist - gleich anschließend spricht Aristoteles
Nuance eines Widerspruchsverhältnisses hinzu {enthymema ex pugnantibus
Quintil. a. 0.) - eine äußerst raffinierte Handhabung der überkommenen Re-
geln, indem sonst diese beiden Möglichkeiten einander auszuschließen scheinen
(Lausberg I 199 f.).
18 Dazu daß auch bereits die vorangestellte sententia (C 1) ein Stüde ratiocinatio
enthält, siehe weiter unten im Text.
10 Über sie handelt erschöpfend, wie stets mit reichlichen Belegen, Lausberg I
S. 431 ff.
20 Aristoteles, Rhetorik II 21.
21 Lausberg I 432.
22 Oben S. 22 mit Anm. 11.
 
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