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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 3. Abhandlung): Ciceros Gebetshymnus an die Philosophie Tusculanen V 5: vorgetragen am 16. Dez. 1967 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44216#0048
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Hildebrecht Hommel

hat6. Wir schließen uns seiner nützlichen und lehrreichen Diagnose
an, versuchen lediglich im Folgenden, aus den von ihm gebotenen
Beispielen das Wesentliche der beiden Typen noch schärfer heraus-
zukristallisieren. Da er ferner mit Recht bereits bei Heraklit fr. 49
eine Art Vorstufe zu beiden Modellen aufgewiesen hat7, nennen wir
diese Vorform den Urformeltypus und stellen ihm noch das nah
verwandte fr. 98 des Demokrit zur Seite.
Heraklit fr. 49 εις έμο'ι μύριοι, εάν άριστος ή
Demokrit fr. 98 ενός φιλίη ξυνετοΰ κρέσσων άξυνέτων πάντων
Die Urformel sagt also allgemein gefaßt aus: 'Ein Guter (Verstän-
diger) ist soviel wert wie (besser als) viele weniger Gute (Unver-
ständige).’
Der Fortschritt bei den Typen I und II besteht vor allem darin,
daß sie das Moment der Zeit mit ins Spiel bringen.
Formeltypus I („Irrelevanz der Zeitdauer für den Weisen“8)
ist am reinsten etwa ausgeprägt in
Epikur (?) bei Philodem, περί ·θανάτου col. 38, 14 = p. 164 Kuiper
δ νουν εχων .... την μίαν ημέραν ώς αιώνα κερδαίνει9.
6 Wolfg. Schmid, a. Ο. 19-22.
7 Schmid, a. Ο. 21 m. Anm. 20. Auch Weinreich 1958 hat bereits auf dieses
„Schlagwort“ und einige seiner Nachklänge aufmerksam gemacht. Derselbe
führt eine Reihe von Beispielen an für einen weiteren, in der Liebesdichtung
sich findenden Topos, der ebenfalls auf dem Gegensatz von 1 und 1000 (Zeit-)
Einheiten (bzw. kurzer und unendlicher Zeit u. ä.) aufbaut, und den ich (ähn-
lich wie Wfg. Schmid, a. 0. S. 20 m. Anm. 16) nur am Rande erwähne, da die
’ Beispiele meist jüngeren Datums und daher für die Genesis des Phänomens
nicht von ausschlaggebender Bedeutung sind. Weinreich faßt beide Bereiche,
den philosophischen (Heraklit) und den der Liebespoesie, unter der Bezeich-
nung „Pathosformel“ zusammen. Als den Prototyp der Anwendung einer sol-
chen Pathosformel auf die erotische Sphäre darf man, ganz allgemein im Sinn
einer 'Urformel’ gefaßt, vielleicht das emphatische Bekenntnis des Hermes ge-
genüber Apollon Homer, Od. 8, 340-342 in Anspruch nehmen.
8 Wfg. Schmid, a. O. 21.
9 Schmid, a. O. 19 f. Weitere Beispiele sind Epikur, Katechismus, Ratae senten-
tiae 19 (vgl. Cic., De fin I 63). Cic., De fin. II 87 (mit der sehr bemerkenswer-
ten epikureischen Polemik gegen die nach Herodots Bericht von Solon gegen-
über Kroisos eingeprägte, auch von Sophokles übernommene, von Aristoteles,
Eth. Eudem. II 1219 b 6 ff. mit den Worten ούΐΐέν γάρ ατελές ευδαιμον ού γάρ
δλον philosophisch begründete Maxime, niemand sei vor seinem Tode glücklich
zu preisen; zu ihr steht ja in der Tat der neue Satz in radikalem Widerspruch).
Plutarch, De comm. not. adv. Stoicos 8. 1061 F/62 A. Plutarch, De Stoicorum
repugn. 26. 1046 C/D (Chrysipp). Wolfg. Schmid, a. O. 21 sagt von dem For-
meltyp I, er „dürfte zunächst in der epikureischen Fassung existiert, dann aber
 
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