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Köhler, Erich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 4. Abhandlung): "Conseil des barons" und "jugement des barons": epische Fatalität und Feudalrecht im altfranzösischen Rolandslied ; vorgetragen am 29. 6. 1968 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44217#0008
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Erich Köhler

sen2. Die Zielsetzung ist anspruchsvoller als ihre bisherige Abgren-
zung erkennen läßt: es handelt sich nicht um «Einflüsse», sondern
um die Substanz der Dichtung selbst.
Wenn wir als Gegenstand einer solchen Betrachtung die älteste,
literarhistorisch bedeutendste und künstlerisch bis zum Wunder voll-
endete Chanson de geste wählen, das Rolandslied in der von der
Oxforder Handschrift überlieferten Fassung, so deshalb, weil an
ihm unsere Fragestellung sich als ebenso komplex wie paradigma-
tisch erweist: der Verfasser der Chanson de Roland, ob jener Turold,
der sich im letzten Vers nennt oder ein anderer, ob Schöpfer ohne
Vorgänger (A. Pauphilet) oder «genialer Bearbeiter» (R. Menendez
Pidal), war-darin wenigstens herrscht heute Übereinstimmung-ein
großer Dichter. Von einem solchen dürfen wir von vorneherein er-
warten, daß er einerseits der geschichtlichen Wirklichkeit jene Züge
entnimmt, welche für diese wesentlich sind, und sie andererseits bis
zur Unkenntlichkeit in poetische Elemente mit struktureller, d. h.
die Sinneinheit der Dichtung bestimmender Funktion verwandelt.
Daraus ergeben sich Schwierigkeit und Chance unserer Untersu-
chung zugleich. Wir werden uns auf nur einen, aber ins Zentrum
weisenden Aspekt beschränken: die Bedeutung des zeitgenössischen
Feudalrechts im Rolandslied, zu differenzieren in die Institutionen
des conseil des barons, das consilium als Pflicht der Vasallen ge-
genüber dem Herrn neben dem auxilium, formuliert in dem be-
rühmten Brief des Fulbert von Chartres an den Herzog Wilhelm
V. von Aquitanien aus dem Jahre 10203, und das jugement des ba-
rons, das Gericht der Vasallen, als deren Recht gegenüber der Will-
kür des Herrn, als judicium pariund. Je nach den schwankenden
2 An dieser Datierung der von der Oxforder Handschrift überlieferten Fassung
ist heute kaum mehr ein Zweifel möglich: «C’est toujours aux dernieres annees
du XIe siede que l’on est ramene», lautet das Fazit, das P. Le Gentil nach
kritischer Prüfung der einschlägigen Studien zieht in seiner vorzüglichen Mono-
graphie: La Chanson de Roland, Paris 1955 (Connaissance des Lettres, 43)
S.32; vgl. auch K.-H. Bender, König und Vasall. Untersuchungen zur Chanson
de geste des XII. Jahrhunderts, Heidelberg 1967 (Studia Romanica, 13. Heft)
S. 37f.
3 Siehe H. Mitteis, Lehnrecht und Staatsgewalt, Untersuchungen zur mittelalter-
lichen Verfassungsgeschichte, Weimar 1933, S. 312ff. R. W. Carlyle and A. J.
Carlyle, A History of Mediaeval political Theory in the West, Edinburgh und
London 19503, Bd. III, S. 26. F. L. Ganshof, Was ist das Lehnswesen?, Darm-
stadt 1961, S. 86ff.
4 Siehe Barnaby C. Keeney, Judgment by Peers, Cambridge, Harvard Uni-
versity Press, 1949.
 
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