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Köhler, Erich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 4. Abhandlung): "Conseil des barons" und "jugement des barons": epische Fatalität und Feudalrecht im altfranzösischen Rolandslied ; vorgetragen am 29. 6. 1968 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44217#0011
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«Conseil des barons» und «jugement des barons» 9
der dem künftigen Geschehen den unausweichlichen Weg vorzeich-
net.
Erinnern wir uns der 1. Laisse. In sieben Jahren Krieg ist ganz
Spanien unterworfen worden, keine Burg, keine Stadt bleibt mehr
zu bezwingen außer Saragossa, wo Marsilie herrscht, der Heide, der
Mohammed und Apollo anbetet und den Gott nicht liebt. Doch auch
er wird seinem Schicksal nicht entgehen9. Nichts scheint somit die
Hoffnung zu stören, daß Karls christliches Heer die letzte Bastion
des Heidentums in Spanien demnächst einnehmen und der Krieg
bald zu Ende sein wird. Gerade hat Karl der Große Cordoba er-
obert, dessen Mauern geschleift und große Beute gemacht; kein Heide
mehr, der nicht zum Christentum bekehrt oder erschlagen worden
wäre. Was Wunder, daß der Kaiser heiter und froh gestimmt ist.
In einem großen Garten sitzt er auf goldenem Thron, umgeben von
seinen treuen Vasallen und fünfzehntausend Kriegern aus der clulce
France. Auf weißer Seide lagern die älteren Ritter und spielen
Schach, während die jungen bacheler sich in Waffen üben. Majestä-
tisch und stolz in der Haltung, mit weißem Bart und Silberhaar, sitzt
der Kaiser da. Wer nach ihm fragt, dem braucht man ihn nicht erst
zu zeigen (Laisse 8).
Das Bild, das hier entworfen wird, statuarisch in fast idyllischer
Szenerie, ist das Bild des Triumphes, der Macht, der Zuversicht und
der Einigkeit des christlichen Heeres. Nichts deutet auf den kom-
menden Konflikt. Die 1. und die 8. Laisse, getrennt durch die Szene
des Rats am Hof Marsilies, zeigen unverkennbar die Seite des epi-
schen «Weltzustands», die dessen Vollkommenheit vorführt, jene
«Schönheit des Ideals», die nach Hegel «in seiner ungetrübten Einig-
keit, Ruhe und Vollendung in sich selbst liegt»10. Damit die Harmo-
nie des Weltzustands - und das heißt für uns: jenes politische und
gesellschaftliche Ideal, das dem Dichter des Rolandslieds vorschweb-
te11 - «erst in ihrer vollständigen Wesentlichkeit hervorsteche», be-

9 Nes poet guarder que mals ne l’i ateignet (y. 9). Dieser Ankündigung entspricht
der Schlußvers der 7. Laisse, diesmal auf Karl bezogen, der die Gesandten
Marsilies empfängt: Nes poet guarder que alques ne Γengignent (v. 95). Wir
zitieren nach der Ausgabe von A. Hilka, 5. verb. Ausgabe von G. Rohlfs: Das
altfranzösische Rolandslied nach der Oxforder Handschrift, Tübingen 1960
(Sammlung romanischer Übungstexte, 3/4. Band).
10 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ästhetik, herausgeg. von F. Bassenge, Berlin
1955, S. 255.
11 Daß der Dichter des Rolandslieds seine Figuren und ihre Handlungen nicht
 
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