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Köhler, Erich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 4. Abhandlung): "Conseil des barons" und "jugement des barons": epische Fatalität und Feudalrecht im altfranzösischen Rolandslied ; vorgetragen am 29. 6. 1968 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44217#0014
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Erich Köhler

talite, cette grande dispensatrice des effets tragiques, pese sur lui et
l’accable»17. Aus den Ankündigungen des kommenden Unheils fol-
gert A. Pauphilet: «II sort de ce deroulement predit des evenements
une impression de fatalite, le sentiment que les hommes s’evertuent
en vain contre le destin»18. Zum gleichen Schluß gelangt A. Burger
nach einer eingehenden Analyse der Ratsszene: «II s’en degage une
impression de fatalite inexorable; c’est un engrenage que personne
ne peut arreter»19. Wie andere vor ihm dringt E. Auerbach erst in
den Vorraum der Fatalität ein wenn er feststellt, daß Charlemagne
in unserer Szene «bei aller zuweilen hervortretenden autoritativen
Bestimmtheit gleichsam traumhaft gelähmt» ist20. Der Erklärung,
die Rita Lejeune für Karls bedenklich parteiische Rolle bei der No-
minierung Ganelons und für seine Ohnmacht gegenüber der Er-
nennung Rolands vorschlägt, nämlich eine bei den Zuhörern vor-
auszusetzende Kenntnis der Legende, Roland sei des Kaisers inze-
stuös gezeugter Sohn, vermögen wir nicht zuzustimmen21. Wir kön-
nen uns jedoch auch mit Auerbachs Behauptung nicht beruhigen,
daß Erklärungen «für das Rätselhafte» dieser Szene, die wir «erst
herantragen müssen», der «ästhetischen Aufnahme eher schädlich»
seien22. Und dies um so weniger, als der Elinweis auf das, was zum
Zweck eines tieferen Verständnisses «heranzutragen» ist, uns im
Text selber deutlich enthalten zu sein scheint. Befragen wir daher
- einmal mehr - diesen Text, unter einem Gesichtspunkt, der von
der seitherigen Forschung vernachlässigt wurde: dem der feudal-
rechtlichen Vorstellungen der Zeit und des formalistischen Charak-
ters des mittelalterlichen Rechts.
17 E. Faral. La Chanson de Roland. Etüde et analyse, Paris 1933, S. 85.
18 A. Pauphilet, Le legs du Moyen Age. Etudes de litterature medievale, Melun
1955, S. 72. Ähnliche Erwägungen führen C. Segre zu der Feststellung: «E evi-
dente ehe il poeta, nel nostre caso, ha preferito insistere sulla fatalitä invece
ehe sul libero snodo degli avvenimenti, come per inserire l’azione in un ordine
provvidenziale» (Schemi narrativi nella «Chanson de Roland», Studi Francesi
V (1961) S. 279).
19 A. Burger in seiner Anm. 8 genannten Studie, S. 10.
20 E. Auerbach, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Litera-
tur, Bern 19592, S. 99.
21 R. Lejeune, Le peche de Charlemagne et la «Chanson de Roland», Flomenaje
a Dämaso Alonso, Madrid 1961, Bd. II, S. 339ff. Wir stimmen R. Lejeunes
scharfsinniger Analyse der Ratsszene und ihrer Charakteristik von Karls Ver-
halten zu, glauben die Erklärung dafür jedoch in anderer Richtung suchen zu
müssen.
22 E. Auerbach, a. a. 0., S. 99.
 
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