Conseil des barons» und «jugement des barons;
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das eine rechtlich irrelevante böse Absicht kaschiert, der gegenüber
er hilflos ist. Erst nachdem Rolands höhnisches Lachen ihn bis zur
Ohnmacht gereizt hat51, gibt er die Antwort, welche weitere recht-
liche Konsequenzen einschließt: «Sur mei avez turnet fals jugement»
(v. 307). Im nächsten Vers aber erklärt er sich bereit, dem «Befehl»
des Kaiser, und d. h. der Ratifizierung des jugement, zu folgen52.
Der Vorwurf des torner fals jugement muß als eine Scheltefor-
mel gelten53. Die Urteilsschelte aber, d. h. der schwere Vorwurf der
Rechtsfälschung, führte, wo wie hier die Appellation an eine höhere
Instanz ausgeschlossen war, in der Regel zum gottesgerichtlichen
Zweikampf54, wie er denn auch am Ende unserer Chanson deren
Ausgang bestimmt. Ganelons Protest gegen das falsum judicium
aber muß zunächst gegenstandslos bleiben, weil die Entscheidung
der Versammlung in dieser Situation unmittelbare Ausführung ver-
langt und ein gottesgerichtlicher Zweikampf sich in dieser Lage ver-
bieten würde. Ganelons Ohnmacht ist indessen nur eine Ohnmacht
auf Zeit. Der Urteilsschelte läßt Ganelon in aller Form die Heraus-
forderung an Roland und die zwölf Pairs folgen: «Desfi les en, sire,
vostre veiant» (v. 326). Diese Fehde wird Ganelon auf seine Weise,
die einzige, die für ihn Aussicht auf Erfolg hat, durchführen.
Karl antwortet gereizt: «Trop avez maltalent» (v. 327)55. Das
Recht auf die Fehde, die Ganelon angekündigt hat, kann der Kaiser
nicht in Frage stellen, auch nicht, nachdem Ganelon den Handschuh,
51 Quant ςο veit Guenes que ore s’en rit Rollanz,
Dune ad tel doel pur poi d’ire ne fent,
A ben petit que il ne pert le sens. (v. 303ff.)
Zur Bedeutung von Rolands Lachen s. den oben Anm. 8) zitierten Aufsatz von
A. Burger, Le rire de Roland.
Dreiz emperere, veiz me ei en present:
Ademplir voeill vostre comandement. (v. 308f.).
53 jaus jugement - falsum judicium ist die übliche Formel der Coutumes; für das
Schelten des Urteils steht meist fausser (le) jugement. Zahlreiche Belege in der
Sammlung von Herrn Kollegen Kurt Baidinger (Heidelberg).
54 H. Mitteis, Die Rechtsidee in der Geschichte. Gesammelte Abhandlungen und
Vorträge, Weimar 1957, S. 80: «War im alten Volksverfahren das Urteil ge-
sprochen, so konnte jeder Gerichtsgenosse es schelten. Er erhob dann den Vor-
wurf der falschen Absicht gegen den Urteilsfinder und mußte mit ihm
kämpfen». Vgl. auch R. Holtzmann, Französische Verfassungsgeschichte von
der Mitte des neunten Jahrhunderts bis zur Revolution, München und Berlin
1910, S. 63.
55 Der Vers entspricht im Stellenwert und in eigentümlicher inhaltlicher Anti-
thetik dem «Trop avez tendre coer» (v. 317) der vorausgehenden Laisse.
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das eine rechtlich irrelevante böse Absicht kaschiert, der gegenüber
er hilflos ist. Erst nachdem Rolands höhnisches Lachen ihn bis zur
Ohnmacht gereizt hat51, gibt er die Antwort, welche weitere recht-
liche Konsequenzen einschließt: «Sur mei avez turnet fals jugement»
(v. 307). Im nächsten Vers aber erklärt er sich bereit, dem «Befehl»
des Kaiser, und d. h. der Ratifizierung des jugement, zu folgen52.
Der Vorwurf des torner fals jugement muß als eine Scheltefor-
mel gelten53. Die Urteilsschelte aber, d. h. der schwere Vorwurf der
Rechtsfälschung, führte, wo wie hier die Appellation an eine höhere
Instanz ausgeschlossen war, in der Regel zum gottesgerichtlichen
Zweikampf54, wie er denn auch am Ende unserer Chanson deren
Ausgang bestimmt. Ganelons Protest gegen das falsum judicium
aber muß zunächst gegenstandslos bleiben, weil die Entscheidung
der Versammlung in dieser Situation unmittelbare Ausführung ver-
langt und ein gottesgerichtlicher Zweikampf sich in dieser Lage ver-
bieten würde. Ganelons Ohnmacht ist indessen nur eine Ohnmacht
auf Zeit. Der Urteilsschelte läßt Ganelon in aller Form die Heraus-
forderung an Roland und die zwölf Pairs folgen: «Desfi les en, sire,
vostre veiant» (v. 326). Diese Fehde wird Ganelon auf seine Weise,
die einzige, die für ihn Aussicht auf Erfolg hat, durchführen.
Karl antwortet gereizt: «Trop avez maltalent» (v. 327)55. Das
Recht auf die Fehde, die Ganelon angekündigt hat, kann der Kaiser
nicht in Frage stellen, auch nicht, nachdem Ganelon den Handschuh,
51 Quant ςο veit Guenes que ore s’en rit Rollanz,
Dune ad tel doel pur poi d’ire ne fent,
A ben petit que il ne pert le sens. (v. 303ff.)
Zur Bedeutung von Rolands Lachen s. den oben Anm. 8) zitierten Aufsatz von
A. Burger, Le rire de Roland.
Dreiz emperere, veiz me ei en present:
Ademplir voeill vostre comandement. (v. 308f.).
53 jaus jugement - falsum judicium ist die übliche Formel der Coutumes; für das
Schelten des Urteils steht meist fausser (le) jugement. Zahlreiche Belege in der
Sammlung von Herrn Kollegen Kurt Baidinger (Heidelberg).
54 H. Mitteis, Die Rechtsidee in der Geschichte. Gesammelte Abhandlungen und
Vorträge, Weimar 1957, S. 80: «War im alten Volksverfahren das Urteil ge-
sprochen, so konnte jeder Gerichtsgenosse es schelten. Er erhob dann den Vor-
wurf der falschen Absicht gegen den Urteilsfinder und mußte mit ihm
kämpfen». Vgl. auch R. Holtzmann, Französische Verfassungsgeschichte von
der Mitte des neunten Jahrhunderts bis zur Revolution, München und Berlin
1910, S. 63.
55 Der Vers entspricht im Stellenwert und in eigentümlicher inhaltlicher Anti-
thetik dem «Trop avez tendre coer» (v. 317) der vorausgehenden Laisse.