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Flashar, Hellmut; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1969, 1. Abhandlung): Der Epitaphios des Perikles: seine Funktion im Geschichtswerk d. Thukydides — Heidelberg, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.44304#0028
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Hellmut Flashar

Zeichen der Demokratie bildet. Der Gegensatz zu Demokratie ist hier also nicht
Isonomie, sondern Aristokratie, in Übereinstimmung mit II 65, 9: Xoycp pev öppo-
xparia, £QY&) öe vno rov npcbrou dvöpög apyf] (vgl. auch Fiat., Menex. 288 C 6ff.:
xaXsi ö’ ö pcv öppoxparlav, 6 ö’ äXXo . . . ecm öe rfj aLpüfilq: . . . apioroxoarla).
Im folgenden will Thukydides sagen: Bei den Privatinteressen ist jeder vor
dem Gesetz gleich, hinsichtlich der Wertschätzung (xara ös rf]v a^icoaiv) im poli-
tischen Bereich (eg ra xoiva) gibt es eine j-rpoxippotg nach der dpETif|, nicht so sehr
anö psgovg . . . oüö’ au xara Ksviav. Eindeutig ist das 2. Glied: es gibt keine Be-
vorzugung durch die Angehörigkeit zu einem bestimmten Stand; nur Leistung
zählt, nicht Vermögen. Durch oüö’ aü ist dieser Gedanke als etwas Neues ein-
geführt, also kann and pepoug nicht heißen: „auf Grund der Zugehörigkeit zu
einer bevorzugten Klasse“, sondern nur: „nach demselben Anteil“, „der Reihe
nach“, d. h. nach dem Los (hierin stimmen Kakridis und Vretska überein). Es soll
also gesagt werden: In der Wertschätzung im politischen Bereich gilt das Prinzip
der Isonomie nicht. Dies scheint nun zunächst ein Widerspruch zur historischen
Realität zu sein, denn in der athenischen Demokratie wurden die wichtigen poli-
tischen Ämter verlost, mit Ausnahme des Strategenamtes, in dem Perikies seit
443 ununterbrochen wiedergewählt wurde. Daraus schloß Vretska, der Satz ziele
allein auf Perikies, indem hier „die Stellung des Perikies innerhalb des Staates
bezeichnet werden soll“ (117). Dem widerspricht cbg Exacrcog sv rcp süöoxipEi; an
Perikies allein kann also nicht gedacht sein. Thukydides sagt auch gar nicht, daß
im politischen Bereich Ämter nur nach dem Leistungsprinzip, nicht durch das Los
vergeben werden (was ja auch nicht zuträfe), sondern: hinsichtlich der Wert-
schätzung, mit dem erklärenden Zusatz: wie jemand einen guten Ruf genießt, da
erfolgt eine Ehrung vor anderen nicht so sehr auf Grund eines durch das Los zu-
kommenden Anteils, sondern auf Grund der apsrf], z. B. beim Strategenamt oder
etwa bei der Wahl zum Epitaphienredner (vgl. II 34, 6 avqp ppppsvog wtö rpg
noXscog og av Yvcbpp rs öoxf] pp a^üverog stvai xai d^ubaci npopxp). So ergibt
sich im ganzen folgender Gedankengang: Hinsichtlich der Privatinteressen herrscht
bei uns vor dem Gesetz völlige Gleichheit. Im öffentlichen Bereich jedoch gibt es
Unterschiede in der Wertschätzung auf den verschiedenen Gebieten (sv reo). Diese
Unterschiede aber ergeben sich nicht a) auf Grund der bloßen Tatsache, daß je-
mand durch das Los turnusmäßig ein Amt innehat oder nicht, und auch nicht
b) auf Grund seines Vermögens, sondern nur durch Fähigkeit und Leistung28.
Damit ist natürlich auch an Perikies gedacht, aber der Sinn des Satzes ist nicht die
Bezeichnung des Perikies innerhalb des Staates, sondern ein Lob der athenischen
Demokratie, die sich als Isonomie doch den Sinn für dpsrp bewahrt habe. Diesen
Grundsatz läßt Thukydides hier den Perikies aussprechen, obwohl er weder mit
der Wirklichkeit noch mit der Auffassung des Thukydides übereinstimmt29.
Daß die folgende Schilderung von dem freien und großzügigen
Zusammenleben der Bürger in der Polis (37, 2-3) von perikleischem
Geiste durchweht ist, wird niemand bestreiten, und doch ist die Be-
hauptung, die athenischen Bürger seien in ihrem täglichen Tun und
28 So ergibt sich auch eine volle Übereinstimmung mit Eur., Hik. 406-8.
29 Vgl. das Urteil des Thukydides II 65, 4 über das athenische Volk und dazu
Vretska, a. O. 115f.
 
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