Der Epitaphios des Perikies
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Erholungsmöglichkeit für die Mühen des Alltags der Genuß der
Güter aus aller Herren Länder steht. Echt thuykideisch wird diese
Möglichkeit der Größe der Stadt zugeschrieben (ötd piyeßog
jtoXecog). Daß Athen in der Lage ist, sich alles Benötigte aus eigener
Gewalt zu verschaffen, macht die eingangs (36, 3) programmatisch
betonte Autarkie aus35. Opfer und Feste auf der einen und Genuß
äußerer Güter auf der anderen Seite bilden in der Ideologie des
Perikies einen Zusammenhang, den man mit gewissem Recht unter
das Motto: ,panem et circenses“ stellen könnte. Dieser Zusammen-
hang ist auch sonst in der politischen Literatur über die athenische
Demokratie nachweisbar36, aus der zugleich deutlich wird, daß es
sich hier um Topoi handelt, die man auch kritisch oder mindestens
komisch betrachten kann. So hat der Komödiendichter Hermippos,
der Perikies nicht nur auf der Bühne angegriffen, sondern auch die
Anklage im Asebieprozeß gegen Aspasia erhoben hat37, in den
„Phormophoren“ (Frgm. 63 K) eine höchst komische Liste aller nur
denkbaren Güter gegeben, über die Athen dank seiner weltweiten
Handelsbeziehungen, unterstützt durch militärische Macht, verfügen
konnte.
In den folgenden Ausführungen über die Kriegsvorbereitungen
(Kap. 39) tritt, wie man längst gesehen hat, der Gegensatz des athe-
nischen Wesens zu den spartanischen Verhältnissen ganz in den
Vordergrund. Entsprechend ist eine durchgängige Diskrepanz zwi-
schen Rede und Wirklichkeit nicht mehr spürbar38. Diese mischt sich
„Erholung von den Anstrengungen“ der Oberbegriff ist und der religiöse Bezug
durchweg außer acht bleibt. Bei den „privaten glänzenden Ausstattungen und
Zurüstungen“ ist nicht so sehr an „private Kunstpflege“ (Classen-Steup) gedacht
als an der Erholung dienende private Einrichtungen, unter denen Ps.-Xeno-
phon, Ath. Pol. 2, 10 im gleichen Zusammenhang Gymnasien, Bäder und Um-
kleideräume aufzählt. Mit Recht bemerkt H. R. Immerwahr, Ergon, History as
a Monument, Am. Journ. of Phil. 81, 1960, 288: „The absence of any reference
to the Periclean building program is in harmony with the tenor of the oration.“
35 Über die Entwicklung des Autarkiebegriffes vgl. jetzt G. Widmann, Autarkie
und Philia in den aristotelischen Ethiken, Diss. Tübingen 1967, 27ff.
36 Aus oligarchischer Sicht bei Ps.-Xenophon, Ath. Pol. 2, 7-10 mit gegenüber
Thukydides umgekehrter Reihenfolge der Gedanken: 2, 7-8: Die Athener kön-
nen sich dank ihrer Seeherrschaft die Waren aus aller Welt verschaffen, 2, 9-10:
öffentliche Opfer und Feste - private Erholungsmöglichkeiten.
37 Vgl. Plutarch, Per. 32.
38 Merkwürdigerweise findet E. Meyer, Forschungen zur Alten Geschichte, Halle
1899 II 397, Anm. 1, Kap. 39, 4 mit der Behauptung, die Athener würden
weniger unter Zwang als mit in der Wesensart begründeter Tapferkeit in den
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Erholungsmöglichkeit für die Mühen des Alltags der Genuß der
Güter aus aller Herren Länder steht. Echt thuykideisch wird diese
Möglichkeit der Größe der Stadt zugeschrieben (ötd piyeßog
jtoXecog). Daß Athen in der Lage ist, sich alles Benötigte aus eigener
Gewalt zu verschaffen, macht die eingangs (36, 3) programmatisch
betonte Autarkie aus35. Opfer und Feste auf der einen und Genuß
äußerer Güter auf der anderen Seite bilden in der Ideologie des
Perikies einen Zusammenhang, den man mit gewissem Recht unter
das Motto: ,panem et circenses“ stellen könnte. Dieser Zusammen-
hang ist auch sonst in der politischen Literatur über die athenische
Demokratie nachweisbar36, aus der zugleich deutlich wird, daß es
sich hier um Topoi handelt, die man auch kritisch oder mindestens
komisch betrachten kann. So hat der Komödiendichter Hermippos,
der Perikies nicht nur auf der Bühne angegriffen, sondern auch die
Anklage im Asebieprozeß gegen Aspasia erhoben hat37, in den
„Phormophoren“ (Frgm. 63 K) eine höchst komische Liste aller nur
denkbaren Güter gegeben, über die Athen dank seiner weltweiten
Handelsbeziehungen, unterstützt durch militärische Macht, verfügen
konnte.
In den folgenden Ausführungen über die Kriegsvorbereitungen
(Kap. 39) tritt, wie man längst gesehen hat, der Gegensatz des athe-
nischen Wesens zu den spartanischen Verhältnissen ganz in den
Vordergrund. Entsprechend ist eine durchgängige Diskrepanz zwi-
schen Rede und Wirklichkeit nicht mehr spürbar38. Diese mischt sich
„Erholung von den Anstrengungen“ der Oberbegriff ist und der religiöse Bezug
durchweg außer acht bleibt. Bei den „privaten glänzenden Ausstattungen und
Zurüstungen“ ist nicht so sehr an „private Kunstpflege“ (Classen-Steup) gedacht
als an der Erholung dienende private Einrichtungen, unter denen Ps.-Xeno-
phon, Ath. Pol. 2, 10 im gleichen Zusammenhang Gymnasien, Bäder und Um-
kleideräume aufzählt. Mit Recht bemerkt H. R. Immerwahr, Ergon, History as
a Monument, Am. Journ. of Phil. 81, 1960, 288: „The absence of any reference
to the Periclean building program is in harmony with the tenor of the oration.“
35 Über die Entwicklung des Autarkiebegriffes vgl. jetzt G. Widmann, Autarkie
und Philia in den aristotelischen Ethiken, Diss. Tübingen 1967, 27ff.
36 Aus oligarchischer Sicht bei Ps.-Xenophon, Ath. Pol. 2, 7-10 mit gegenüber
Thukydides umgekehrter Reihenfolge der Gedanken: 2, 7-8: Die Athener kön-
nen sich dank ihrer Seeherrschaft die Waren aus aller Welt verschaffen, 2, 9-10:
öffentliche Opfer und Feste - private Erholungsmöglichkeiten.
37 Vgl. Plutarch, Per. 32.
38 Merkwürdigerweise findet E. Meyer, Forschungen zur Alten Geschichte, Halle
1899 II 397, Anm. 1, Kap. 39, 4 mit der Behauptung, die Athener würden
weniger unter Zwang als mit in der Wesensart begründeter Tapferkeit in den