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Flashar, Hellmut; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1969, 1. Abhandlung): Der Epitaphios des Perikles: seine Funktion im Geschichtswerk d. Thukydides — Heidelberg, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.44304#0032
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Hellmut Flashar

dafür wieder stärker in sehr eigentümlicher Weise unter die Prädi-
kationen des Kap. 40 über die Eigenschaften des athenischen Men-
schen. Daß selbst eine so überzeitlich klingende Formulierung wie der
Satz von der Liebe zum Schönen in Schlichtheit und der Liebe zu
Wissen ohne Verweichlichung eine recht einseitige Behauptung mit
eindeutig apologetischer Tendenz darstellt, ist in den Kommentaren
mit Recht hervorgehoben worden39. In der Tat ist der Hinweis auf
die Schlichtheit der Athener bei ihrem Umgang mit dem Schönen
angesichts der Prachtbauten auf der Akropolis, der glänzenden Op-
fer, Wettspiele und übrigen Einrichtungen (38, 1) erst voll verständ-
lich als Antwort auf Vorwürfe wie: Perikies habe die Stadt vergol-
det und auf geputzt wie ein schwatzhaftes Weib, indem er sie um-
hängt habe mit kostbaren Steinen, Standbildern und wertvollen
Tempeln (Plut., Per. 12, 2). Diese Antwort darf aber nicht vorschnell
als Apologie des Thukydides für Perikies gedeutet werden, sondern
zunächst läßt sich nur so viel sagen, daß Thukydides Perikies sich in
einer ganz bestimmten Situation gegen derartige Vorwürfe verteidi-
gen läßt.
Wenn Perikies im folgenden (40, 2-3) ausführt, allein die Athener
hätten ein ausgewogenes Verhältnis von Überlegen, Urteilen, Be-
raten auf der einen und Handeln, Unternehmen, Tatkraft auf der
anderen Seite40, so könnte man von diesem Abschnitt des Epitaphios
Krieg gehen, die einzige Stelle, an der die Kritik des Thukydides gegen die Rede
des Perikies zum Durchbruch gelange. Von Kritik ist hier jedoch nichts zu
spüren, weder direkt noch indirekt, wohl aber an zahlreichen anderen Stellen
des Epitaphios durch die Art der indirekten Distanzierung.
39 Ausführlich bei Gomme, dem sich Kakridis weitgehend anschließt. Daß die
Liebe zum xakov und die Liebe zum oocpov „in einem latenten Gegensatz zu-
einander“ stehen (so Kakridis 49), kann ich nicht sehen. Im Gegenteil: beides
gehört zusammen, und es soll gezeigt werden, daß ,Philokalie‘ und Philoso-
phie' sich mit Schlichtheit und Vermeiden von Verweichlichung vereinen läßt.
Das Aufspüren syntaktisch-stilistischer Beziehungen durch Kakridis geht hier
wie an anderen Stellen über das vertretbare Maß entschieden hinaus. Die pla-
tonische Unterscheidung von Philosophie und Kunst, auf die Kakridis verweist,
hat hier nichts zu suchen, zahov weist auch nicht auf einen in sich geschlossenen
Bereich der Kunst, sondern ist in voraristotelischem Sprachgebrauch in beson-
derem Sinne sachimmanent und meint hier etwa den Inbegriff des Glanzes, der
das Leben des freien Mannes ziert (also: Agone, Feste, Bauten usw.), vgl. E.
Grassi, Die Theorie des Schönen in der Antike, Köln 1962, 38ff.
40 Die Ergänzung von erepa (40, 2) ist entbehrlich. Thukydides unterscheidet: 1.
die Inhaber öffentlicher Ämter (rotg aüroig), 2. die übrigen Bürger (Erepoig),
die ohne politisches Amt für fähig gehalten wurden, in der Volksversammlung
politische Entscheidungen zu treffen (so K. W. Krüger z. St.), epya mit rü
 
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