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Hellmut Flashar
Zunächst ist zu beachten, daß kein ,Nachruf“ in dem uns geläu-
figen Sinne des Wortes gegeben wird, denn weder wird die persön-
liche Laufbahn des Perikies noch seine Politik allseitig gewürdigt.
Vielmehr wird Perikies ausschließlich als Stratege der Macht beur-
teilt, und als solcher erscheint er dem Thukydides in der Tat als „die
ideale Inkarnation der Machtidee“75. Er hat im Frieden die Macht-
ansammlung der Stadt zum Gipfel geführt (eyeveto kn sxs'ivou peyfoTY]
65, 5) und im Kriege die Machtmittel im voraus richtig eingeschätzt
(jtpoyvoüg vqv övvaptv), so daß seine Strategie, wäre sie konsequent
befolgt worden, theoretisch den Sieg hätte sichern müssen (65, 13)76.
Bestätigt fand Thukydides die Einschätzung der Macht durch Peri-
kies darin, daß diese Macht trotz schwerer politischer Fehler und
einer wachsenden Zahl von Feinden erst nach so außerordentlich
langer Zeit gebrochen werden konnte (65, 12). Wird so der Staats-
mann Perikies als Repräsentant der Machtpolitik gesehen, so sind
auch die ihm zugesprochenen Fähigkeiten wie Unbestechlichkeit,
Fehlen von Gewinnsucht im Sinne des Thukydides nicht allein als
persönliche Wertungen zu verstehen, sondern als Vorzüge, die der
Machtgewinnung und -erhaltung der Polis dienen, wie im umge-
kehrten Fall z. B. bei Alkibiades, der als die eigentliche Folie zu
Perikies hinter der Charakteristik steht (weniger Kleon), sich die
persönliche Gewinnsucht als für die Machterhaltung der Polis ab-
träglich erweist. Das gleiche gilt von den in der letzten Perikiesrede
II 60, 5 von dem Redner für sich in Anspruch genommenen Fähig-
keiten. Auch sie sind bezogen auf das gleiche Machtdenken. Daß
Perikies sie wirklich besitzt, erweist sich nun auf dem Hintergrund
von II 65 als die Meinung des Thukydides77.
75 H. Strasburger, Thukydides und die politische Selbstdarstellung der Athener,
a. 0. 30 (= Thuk., Wege d. Forschg. 516). Gegen den Ausdruck „Machtidee“
und seine negative Färbung wendet sich J. de Romilly, L’optimisme . . . 573,
Anm. 1.
76 Vgl. F. Kiechle, Gymnasium 75, 1968, 149. Mit Recht bemerkt J. de Romilly,
L’optimisme . . . 559: „La justification . . . se place exclusivement sur le plan
intellectuel.“ Vgl. auch VII 28.
77 Ausführlich nachgewiesen von Plenio, a. 0. Überhaupt kann natürlich nicht
daran gezweifelt werden, daß Thukydides insgesamt in seiner Wertung zwi-
schen Perikies und seinen Nachfolgern scharf scheidet. So hat Mme. de Romilly,
L’optimisme . . . 569 im einzelnen überzeugend dargelegt, daß Perikies im
Urteil des Thukydides über die Menschennatur eine Ausnahme darstellt
(„Pericles, avec sa clairvoyance, est, bien sür, une exception“), nur ist dieses
Urteil insofern relativ, als auch Perikies sich grundsätzlich auf der Basis des
Hellmut Flashar
Zunächst ist zu beachten, daß kein ,Nachruf“ in dem uns geläu-
figen Sinne des Wortes gegeben wird, denn weder wird die persön-
liche Laufbahn des Perikies noch seine Politik allseitig gewürdigt.
Vielmehr wird Perikies ausschließlich als Stratege der Macht beur-
teilt, und als solcher erscheint er dem Thukydides in der Tat als „die
ideale Inkarnation der Machtidee“75. Er hat im Frieden die Macht-
ansammlung der Stadt zum Gipfel geführt (eyeveto kn sxs'ivou peyfoTY]
65, 5) und im Kriege die Machtmittel im voraus richtig eingeschätzt
(jtpoyvoüg vqv övvaptv), so daß seine Strategie, wäre sie konsequent
befolgt worden, theoretisch den Sieg hätte sichern müssen (65, 13)76.
Bestätigt fand Thukydides die Einschätzung der Macht durch Peri-
kies darin, daß diese Macht trotz schwerer politischer Fehler und
einer wachsenden Zahl von Feinden erst nach so außerordentlich
langer Zeit gebrochen werden konnte (65, 12). Wird so der Staats-
mann Perikies als Repräsentant der Machtpolitik gesehen, so sind
auch die ihm zugesprochenen Fähigkeiten wie Unbestechlichkeit,
Fehlen von Gewinnsucht im Sinne des Thukydides nicht allein als
persönliche Wertungen zu verstehen, sondern als Vorzüge, die der
Machtgewinnung und -erhaltung der Polis dienen, wie im umge-
kehrten Fall z. B. bei Alkibiades, der als die eigentliche Folie zu
Perikies hinter der Charakteristik steht (weniger Kleon), sich die
persönliche Gewinnsucht als für die Machterhaltung der Polis ab-
träglich erweist. Das gleiche gilt von den in der letzten Perikiesrede
II 60, 5 von dem Redner für sich in Anspruch genommenen Fähig-
keiten. Auch sie sind bezogen auf das gleiche Machtdenken. Daß
Perikies sie wirklich besitzt, erweist sich nun auf dem Hintergrund
von II 65 als die Meinung des Thukydides77.
75 H. Strasburger, Thukydides und die politische Selbstdarstellung der Athener,
a. 0. 30 (= Thuk., Wege d. Forschg. 516). Gegen den Ausdruck „Machtidee“
und seine negative Färbung wendet sich J. de Romilly, L’optimisme . . . 573,
Anm. 1.
76 Vgl. F. Kiechle, Gymnasium 75, 1968, 149. Mit Recht bemerkt J. de Romilly,
L’optimisme . . . 559: „La justification . . . se place exclusivement sur le plan
intellectuel.“ Vgl. auch VII 28.
77 Ausführlich nachgewiesen von Plenio, a. 0. Überhaupt kann natürlich nicht
daran gezweifelt werden, daß Thukydides insgesamt in seiner Wertung zwi-
schen Perikies und seinen Nachfolgern scharf scheidet. So hat Mme. de Romilly,
L’optimisme . . . 569 im einzelnen überzeugend dargelegt, daß Perikies im
Urteil des Thukydides über die Menschennatur eine Ausnahme darstellt
(„Pericles, avec sa clairvoyance, est, bien sür, une exception“), nur ist dieses
Urteil insofern relativ, als auch Perikies sich grundsätzlich auf der Basis des