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Hampe, Roland; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1969, 2. Abhandlung): Kretische Loewenschale des siebten Jahrhunderts v. Chr. — Heidelberg, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.44305#0026
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Roland Hampe

mehr erhalten ist“52. In entsprechender Weise, nur nicht im profanen
Bereich, sondern in kultischer Verwendung, habe man sich die reicher
ausgestalteten Hand- und Löwenschalen des 1. Jahrtausends zu den-
ken.
Ein dritter Deutungsvorschlag wird durch die Beschaffenheit der
durchbohrten Tüllen nahegelegt. Heutzutage würde man sie als An-
schlußstücke für einen Schlauch bezeichnen. In der Tat ist die Tülle
bei einigen Exemplaren aufgerauht, bei anderen - so auch bei un-
serem Beispiel (Taf. 4,2. 5,2) - mit einem Wulst versehen, so daß ein
angeschlossener Schlauch gut haften würde oder festgeschnürt wer-
den könnte. Nun, im Altertum bestanden Schläuche aus Tierbälgen.
Athenaeus berichtet (XV 692c), daß am syrischen Hofe die Kränze
der Gäste vor den Trinkgelagen aus kleinen Schläuchen (doxtöia)
mit babylonischem Salböl benetzt wurden. Wir entnehmen daraus,
daß es am syrischen Hof in hellenistischer Zeit üblich war, kostbare
Salböle in kleinen Tierbälgen zu bewahren. Warum sollte dies nicht
schon früher an den Höfen der nordsyrisch-späthethitischen Fürsten-
tümer sowie an anderen Höfen des Vorderen Orients üblich gewesen
sein?
Auf der 1960 in Olympia gefundenen kretischen Bronze-Mitra
B 490053 aus dem dritten Viertel des 7. Jahrhunderts hängt an der
Wand vor der thronenden Frau ein kleiner Tierbalg. Ist er etwa mit
Duftöl gefüllt zu denken und soll er andeuten, daß die Szene sich in
einem ,wohlduftenden Gemach4 abspielt?
Die orientalischen Hand- und Löwenschalen stammen überwie-
gend aus Palästen. Man könnte sich daher denken, daß beim Ge-
brauch kleine Tierschläuche an sie angeschlossen wurden54. Diese
Schläuche wären mit Salböl gefüllt gewesen. Durch leichten Druck
auf den Schlauch hätte man dann bewirken können, daß jeweils ein
kleines Quantum der kostbaren Flüssigkeit in die Schale fließt, sei es
in profanem Gebrauch, sei es bei einer kultischen Zeremonie. Tier-
schläuche bestehen aus noch vergänglicherem Material, als Holz und
52 Freyer-Schauenburg a. 0. 102 f.
53 H. Bartels, Mitren, VIII. Olympia-Bericht (1967) 196 ff. 204, Taf. 102-105. Ich
spreche hier absichtlich nicht von Klytaimestra, da mich die vorgeschlagene Deu-
tung nicht überzeugt.
54 Ich freue mich zu hören, daß die Verbindung dieser Kultschalen mit Tier-
schläuchen, unabhängig von meiner Deutung, auch von einem anderen Gelehr-
ten vorgeschlagen wurde, so nach Mitteilung von H. Cahn, der sich auf einen
Brief von H. Seyrig beruft. Es gelang mir indessen nicht, diesen Interpretations-
vorschlag in gedruckter Form ausfindig zu machen.
 
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