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Roland Hampe
Vergleichbar nach Form und Zweckbestimmung wäre etwa ein joni-
sches Salbgefäß des 6. Jahrhunderts v. Chr., in Gestalt einer ,Kröte‘,
das sich im Museum von Charlottenburg befindet58. Die obere Tülle
dort diente wohl zum Einfüllen, zugleich aber hatte sie den Zweck,
den Ausfluß des Salböls aus der kleinen Röhre am Hinterteil der
,Kröte‘ zu regulieren. Schließt man die obere Tülle, so wird der Aus-
fluß der Salbe gestoppt, öffnet man sie, so kann das Salböl fließen.
Wir haben die Heidelberger Löwenschale in unserer Werkstatt
nachgebildet und an diesem Modell Versuche angestellt. Der bau-
chige Behälter faßt rund 45 cbcm Flüssigkeit, die Schale dagegen nur
etwa 15. Die Flüssigkeit in der Schale kann jedoch nicht überlaufen,
da die kommunizierende Öffnung zwischen Schale und Behälter 2 cm
höher als die Sohle des Gefäßes liegt. Wir haben den Behälter ver-
suchsweise mit öl gefüllt und festgestellt, daß sich das Ausfließen
aus dem Behälter folgendermaßen regulieren läßt: Hält man das
obere Luftloch (die Tülle) zu, so dringt keine Flüssigkeit aus dem Be-
hälter. Hebt man aber den Finger ein wenig, so daß etwas Luft ein-
dringt, so rinnt unten ein entsprechendes kleines Quantum in die
Schale. Es tritt also der gleiche Effekt ein, wie wir ihn bei der Ver-
wendung der orientalischen Hand- oder Löwenschalen in der Ver-
bindung mit kleinen Tierschläuchen vermutet haben. Ja, man darf
sich fragen, ob der seltsame, bauchige, aus der keramischen Tradition
herausfallende Behälter des Heidelberger Löwengefäßes etwa einen
kleinen gefüllten Tierbalg (acrxlöiov) nachahmen soll.
Wie dem auch sei, und welchem Zweck die orientalischen Hand-
elnd Löwenschalen auch gedient haben - ihr Rand ist zwar breit, aber
nicht nach innen kragend - die kretische Löwenschale in Heidelberg
und der Löwe von Arkades waren jedenfalls keine Gefäße für Guß-
spenden, sondern für den - sei es kultischen sei es profanen - Ge-
brauch von Salböl.
Der Gebrauch von duftenden ölen in frühgriechischer Zeit
Die Verwendung von Salböl wird in den homerischen Epen rela-
tiv selten erwähnt. Das hat früher zu der Auffassung verleitet, die
Griechen der Frühzeit hätten Salböl nur spärlich verwendet. In alten
58 F 4051, aus Tarquinia. Dm 18 cm. K. A. Neugebauer, Führer II Vasen S. 71;
A. Greifenhagen, Berliner Museen, Berichte, Neue Folge 13 (1963) 11 Abb.
9-10.
Roland Hampe
Vergleichbar nach Form und Zweckbestimmung wäre etwa ein joni-
sches Salbgefäß des 6. Jahrhunderts v. Chr., in Gestalt einer ,Kröte‘,
das sich im Museum von Charlottenburg befindet58. Die obere Tülle
dort diente wohl zum Einfüllen, zugleich aber hatte sie den Zweck,
den Ausfluß des Salböls aus der kleinen Röhre am Hinterteil der
,Kröte‘ zu regulieren. Schließt man die obere Tülle, so wird der Aus-
fluß der Salbe gestoppt, öffnet man sie, so kann das Salböl fließen.
Wir haben die Heidelberger Löwenschale in unserer Werkstatt
nachgebildet und an diesem Modell Versuche angestellt. Der bau-
chige Behälter faßt rund 45 cbcm Flüssigkeit, die Schale dagegen nur
etwa 15. Die Flüssigkeit in der Schale kann jedoch nicht überlaufen,
da die kommunizierende Öffnung zwischen Schale und Behälter 2 cm
höher als die Sohle des Gefäßes liegt. Wir haben den Behälter ver-
suchsweise mit öl gefüllt und festgestellt, daß sich das Ausfließen
aus dem Behälter folgendermaßen regulieren läßt: Hält man das
obere Luftloch (die Tülle) zu, so dringt keine Flüssigkeit aus dem Be-
hälter. Hebt man aber den Finger ein wenig, so daß etwas Luft ein-
dringt, so rinnt unten ein entsprechendes kleines Quantum in die
Schale. Es tritt also der gleiche Effekt ein, wie wir ihn bei der Ver-
wendung der orientalischen Hand- oder Löwenschalen in der Ver-
bindung mit kleinen Tierschläuchen vermutet haben. Ja, man darf
sich fragen, ob der seltsame, bauchige, aus der keramischen Tradition
herausfallende Behälter des Heidelberger Löwengefäßes etwa einen
kleinen gefüllten Tierbalg (acrxlöiov) nachahmen soll.
Wie dem auch sei, und welchem Zweck die orientalischen Hand-
elnd Löwenschalen auch gedient haben - ihr Rand ist zwar breit, aber
nicht nach innen kragend - die kretische Löwenschale in Heidelberg
und der Löwe von Arkades waren jedenfalls keine Gefäße für Guß-
spenden, sondern für den - sei es kultischen sei es profanen - Ge-
brauch von Salböl.
Der Gebrauch von duftenden ölen in frühgriechischer Zeit
Die Verwendung von Salböl wird in den homerischen Epen rela-
tiv selten erwähnt. Das hat früher zu der Auffassung verleitet, die
Griechen der Frühzeit hätten Salböl nur spärlich verwendet. In alten
58 F 4051, aus Tarquinia. Dm 18 cm. K. A. Neugebauer, Führer II Vasen S. 71;
A. Greifenhagen, Berliner Museen, Berichte, Neue Folge 13 (1963) 11 Abb.
9-10.