28
Roland Hampe
nähme orientalischer Salbölsitten durch die Griechen nicht erst eine
Errungenschaft der hellenistischen Zeit war, für die sie vielfach
schriftlich überliefert ist, sondern daß sie schon sehr früh erfolgte,
wird durch die Bodenfunde deutlich. Denn seitdem die Erklärer
homerischer Realien ihre Bücher schrieben, haben die archäologischen
Grabungen unzählige Salbgefäße der griechischen Frühzeit zutage
gebracht. Sie häufen sich vor allem in der spätmykenischen Zeit —
man denke nur an die Bügelkannen — und dann wieder seit der zwei-
ten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Die erste Periode wird von Homer
beschrieben, die zweite fällt in sein Jahrhundert. Beide Perioden sind
Zeiten reger Beziehungen zum Orient und intensiver Einwirkungen
des Orients auf die griechische Kultur.
Die Auffindung der Tontafel-Archive in den mykenischen Pa-
lästen und die Entzifferung der auf ihnen enthaltenen Schrift hat
weitere Aufschlüsse gebracht. In den Palast-Inventaren von Knossos,
Pylos und Mykene ist nicht nur einfaches Olivenöl verzeichnet, son-
dern auch eine Fülle von Gewürzpflanzen, die wohl zur Herstellung
von Duftöl dienten. Die Entzifferer haben in dem Wort a-re-pa-zo-o
die Berufsbezeichnung aleiphazoos, d. h. Salbensieder erkannt62. Die
Salbenbereiter haben also an den mykenischen Höfen so wenig ge-
fehlt wie an den orientalischen damals und in späterer Zeit. Man er-
innere sich der vierzig Salbenbereiter im Feldlager des Darius (s.oben).
Daß die mykenischen Bügelkannen, wie sie sich auch im „Haus des
Ölhändlers“ in Mykene fanden, häufig zur Aufbewahrung und zum
Versand von kostbarem Duftöl dienten, kann nicht bezweifelt wer-
den63. In den Palästen der mykenischen Epoche ist die Verwendung
parfümierter öle aus den Palastkulturen des Vorderen Orients über-
nommen worden. Es mutet wie die Beschreibung eines orientalischen
oder mykenischen Palastmagazines an, wenn die weiträumige Vor-
ratskammer im Palaste des Odysseus auf Ithaka in der Odyssee
(2,337 ff.) geschildert wird: „Darin lagen aufgehäuft Gold und Erz,
62 Pylos: Un 08/Un 09 = M. Ventris, J. Chadwick, Documents in Mycenaean
Greek (1956) Nr. 103/104; vgl. auch Ea 812, Fg 02. - Zum Gebrauch von Salb-
öl in der mykenischen Kultur vgl. F. R. Adrados, Kadmos 3 (1964) 122 ff.; vgl.
auch H. Mühlestein, Mus. Helv. 22 (1965) 162 Anm. 37; L. A. Stella, La civiltä
Micenea (1965) 208.
63 G. Karo erzählte mir einmal, daß einem Restaurator eine noch intakte, ver-
schlossene Bügelkanne zu Boden fiel und zerbrach. Die Scherben sollen noch
tagelang einen aromatischen Duft ausgeströmt haben.
Roland Hampe
nähme orientalischer Salbölsitten durch die Griechen nicht erst eine
Errungenschaft der hellenistischen Zeit war, für die sie vielfach
schriftlich überliefert ist, sondern daß sie schon sehr früh erfolgte,
wird durch die Bodenfunde deutlich. Denn seitdem die Erklärer
homerischer Realien ihre Bücher schrieben, haben die archäologischen
Grabungen unzählige Salbgefäße der griechischen Frühzeit zutage
gebracht. Sie häufen sich vor allem in der spätmykenischen Zeit —
man denke nur an die Bügelkannen — und dann wieder seit der zwei-
ten Hälfte des 8. Jahrhunderts. Die erste Periode wird von Homer
beschrieben, die zweite fällt in sein Jahrhundert. Beide Perioden sind
Zeiten reger Beziehungen zum Orient und intensiver Einwirkungen
des Orients auf die griechische Kultur.
Die Auffindung der Tontafel-Archive in den mykenischen Pa-
lästen und die Entzifferung der auf ihnen enthaltenen Schrift hat
weitere Aufschlüsse gebracht. In den Palast-Inventaren von Knossos,
Pylos und Mykene ist nicht nur einfaches Olivenöl verzeichnet, son-
dern auch eine Fülle von Gewürzpflanzen, die wohl zur Herstellung
von Duftöl dienten. Die Entzifferer haben in dem Wort a-re-pa-zo-o
die Berufsbezeichnung aleiphazoos, d. h. Salbensieder erkannt62. Die
Salbenbereiter haben also an den mykenischen Höfen so wenig ge-
fehlt wie an den orientalischen damals und in späterer Zeit. Man er-
innere sich der vierzig Salbenbereiter im Feldlager des Darius (s.oben).
Daß die mykenischen Bügelkannen, wie sie sich auch im „Haus des
Ölhändlers“ in Mykene fanden, häufig zur Aufbewahrung und zum
Versand von kostbarem Duftöl dienten, kann nicht bezweifelt wer-
den63. In den Palästen der mykenischen Epoche ist die Verwendung
parfümierter öle aus den Palastkulturen des Vorderen Orients über-
nommen worden. Es mutet wie die Beschreibung eines orientalischen
oder mykenischen Palastmagazines an, wenn die weiträumige Vor-
ratskammer im Palaste des Odysseus auf Ithaka in der Odyssee
(2,337 ff.) geschildert wird: „Darin lagen aufgehäuft Gold und Erz,
62 Pylos: Un 08/Un 09 = M. Ventris, J. Chadwick, Documents in Mycenaean
Greek (1956) Nr. 103/104; vgl. auch Ea 812, Fg 02. - Zum Gebrauch von Salb-
öl in der mykenischen Kultur vgl. F. R. Adrados, Kadmos 3 (1964) 122 ff.; vgl.
auch H. Mühlestein, Mus. Helv. 22 (1965) 162 Anm. 37; L. A. Stella, La civiltä
Micenea (1965) 208.
63 G. Karo erzählte mir einmal, daß einem Restaurator eine noch intakte, ver-
schlossene Bügelkanne zu Boden fiel und zerbrach. Die Scherben sollen noch
tagelang einen aromatischen Duft ausgeströmt haben.