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Roland Hampe
Mykener rege Beziehungen69. Der Mythos läßt Kadmos und die drei
in Theben verehrten Aphroditen aus ,Phönikien1 kommen (Paus. IX
16,3), womit das syrische Küstengebiet gemeint ist. Wie enge Be-
ziehungen zwischen den ,Kadmeern‘ der mykenischen Zeit und dem
Vorderen Orient bestanden, zeigen die noch nicht abgeschlossenen
neuen Ausgrabungen in Theben bereits in verblüffender Weise70.
Daß die Fürsten von Mykene schon im 16. Jahrhundert die orienta-
lische Liebesgöttin kannten, zeigen Goldplättchen aus den Schacht-
gräbern, die eine nackte, von Vögeln umflatterte Göttin darstellen,
die sich mit beiden Händen an die Brüste greift71. Die Plättchen
waren einst auf das Totengewand geheftet, das sie sinnvoll schmück-
ten. Denn einmal war dies die Göttin, die schon in der sumerischen
Fassung des Gilgamesch-Mythos in die Unterwelt zog72, und auf der
anderen Seite war sie die Herrin der Wohlgerüche und Salben, wie
sie gerade beim Einbalsamieren benötigt wurden. Diese Kunst des
Einbalsamierens war den Fürsten der Schachtgräber nicht unbe-
kannt73. Aus solcher Tradition wird es verständlich, wenn Aphrodite
89 C. F. A. Schaeffer, Ugaritica (seit 1939) passim; H. Kantor, The Aegean and
the Near East in the Second Millennium (1948) passim; vgl. diesselbe, AJA.
Suppl. 51 (1947) Iff. P. Demargne, Naissance de Part grec (1964) passim, ins-
besondere S. 16. 83. 116. 254 f. 261; Mykenischer Einfluß auf die Philister: V.
R. d’A. Desborough, The last Mycenaeans and their successors (1964) 209 ff.
237 ff.; G. E. Wright, Bibi. Archäologie (1958) S. 84; F. Schachermeyr, Ägäis und
Orient (1967) passim; L. A. Stella, La civiltä Micenea (1965) passim.
70 Deltion, Chronika 19 (1964) 194 f. Taf. 227-230; 20 (1965) 230 ff. Taf. 275-282;
Sp. Marinatos, Athens Annals 1 (1968) 9 ff.
71 G. Karo, Schachtgräber von Mykenai (1930) 48 Nr. 27. 28, Taf. 27. Sp. Marina-
tos, M. Hirmer, Kreta und das mykenische Hellas (1959) Taf. 205 unten. E.
Simon, Die Götter der Griechen (1969) 239 Abb. 225/26.
72 H. W. Haussig, Wörterbuch der Mythologie I, Götter und Mythen im Vorderen
Orient (1965) 87 ff. Im folgenden: Haussig, Wörterbuch.
73 H. Schliemann, Mykenae (1878) 340. Zu skeptisch urteilt wohl M. Andronikos,
Archaeologia Homerica III W 41; er bezeichnet den von Schliemann ausgegra-
benen einbalsamierten Fürsten in Grab V als „einzige Ausnahme“. Sie ist es
indessen nicht, wie die Geschichte von Grab und Orakel des Protesilaos zeigt,
die bedeutungsvoll am Ende des Geschichtswerkes des Herodot IX 120 steht.
Den von den Franzosen ausgegrabenen Tumulus, R. Demangel, Le Tumulus dit
de Protesilas (1926) vermag ich nicht für das von Herodot genannte Grab des
Protesilaos zu halten. - Es wäre gewiß eine lohnende Aufgabe, die Frage der
Einbalsamierung in vorgeschichtlicher Zeit auf breiter Basis zu untersuchen;
vgl. (wenn auch teilweise überholt) R. Hackl, Mumienkult, ARW. 12 (1909)
195 ff.
Roland Hampe
Mykener rege Beziehungen69. Der Mythos läßt Kadmos und die drei
in Theben verehrten Aphroditen aus ,Phönikien1 kommen (Paus. IX
16,3), womit das syrische Küstengebiet gemeint ist. Wie enge Be-
ziehungen zwischen den ,Kadmeern‘ der mykenischen Zeit und dem
Vorderen Orient bestanden, zeigen die noch nicht abgeschlossenen
neuen Ausgrabungen in Theben bereits in verblüffender Weise70.
Daß die Fürsten von Mykene schon im 16. Jahrhundert die orienta-
lische Liebesgöttin kannten, zeigen Goldplättchen aus den Schacht-
gräbern, die eine nackte, von Vögeln umflatterte Göttin darstellen,
die sich mit beiden Händen an die Brüste greift71. Die Plättchen
waren einst auf das Totengewand geheftet, das sie sinnvoll schmück-
ten. Denn einmal war dies die Göttin, die schon in der sumerischen
Fassung des Gilgamesch-Mythos in die Unterwelt zog72, und auf der
anderen Seite war sie die Herrin der Wohlgerüche und Salben, wie
sie gerade beim Einbalsamieren benötigt wurden. Diese Kunst des
Einbalsamierens war den Fürsten der Schachtgräber nicht unbe-
kannt73. Aus solcher Tradition wird es verständlich, wenn Aphrodite
89 C. F. A. Schaeffer, Ugaritica (seit 1939) passim; H. Kantor, The Aegean and
the Near East in the Second Millennium (1948) passim; vgl. diesselbe, AJA.
Suppl. 51 (1947) Iff. P. Demargne, Naissance de Part grec (1964) passim, ins-
besondere S. 16. 83. 116. 254 f. 261; Mykenischer Einfluß auf die Philister: V.
R. d’A. Desborough, The last Mycenaeans and their successors (1964) 209 ff.
237 ff.; G. E. Wright, Bibi. Archäologie (1958) S. 84; F. Schachermeyr, Ägäis und
Orient (1967) passim; L. A. Stella, La civiltä Micenea (1965) passim.
70 Deltion, Chronika 19 (1964) 194 f. Taf. 227-230; 20 (1965) 230 ff. Taf. 275-282;
Sp. Marinatos, Athens Annals 1 (1968) 9 ff.
71 G. Karo, Schachtgräber von Mykenai (1930) 48 Nr. 27. 28, Taf. 27. Sp. Marina-
tos, M. Hirmer, Kreta und das mykenische Hellas (1959) Taf. 205 unten. E.
Simon, Die Götter der Griechen (1969) 239 Abb. 225/26.
72 H. W. Haussig, Wörterbuch der Mythologie I, Götter und Mythen im Vorderen
Orient (1965) 87 ff. Im folgenden: Haussig, Wörterbuch.
73 H. Schliemann, Mykenae (1878) 340. Zu skeptisch urteilt wohl M. Andronikos,
Archaeologia Homerica III W 41; er bezeichnet den von Schliemann ausgegra-
benen einbalsamierten Fürsten in Grab V als „einzige Ausnahme“. Sie ist es
indessen nicht, wie die Geschichte von Grab und Orakel des Protesilaos zeigt,
die bedeutungsvoll am Ende des Geschichtswerkes des Herodot IX 120 steht.
Den von den Franzosen ausgegrabenen Tumulus, R. Demangel, Le Tumulus dit
de Protesilas (1926) vermag ich nicht für das von Herodot genannte Grab des
Protesilaos zu halten. - Es wäre gewiß eine lohnende Aufgabe, die Frage der
Einbalsamierung in vorgeschichtlicher Zeit auf breiter Basis zu untersuchen;
vgl. (wenn auch teilweise überholt) R. Hackl, Mumienkult, ARW. 12 (1909)
195 ff.