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Roland Hampe

einfach Mater“ gewesen sei97. Aber für diese griechischen Mutter-
gottheiten wäre die Nacktheit unerhört. Es handelt sich vielmehr
auch hier um die orientalische Liebesgöttin, der im ganzen Vorderen
Orient der Löwe als Begleiter und Symboltier zugeordnet war98. Da
diese Göttin dort zugleich Kriegsgöttin war99, finden sich die Löwen
als Symbol ihrer Macht vielfach auf orientalischen Kriegsgeräten wie
Streitwagen oder Pferdegeschirr, oder auf Rüstungsstücken wie Krie-
gerschilden. So erklären sich auch die Löwen auf den in der Idagrotte
und an anderen Stätten Kretas gefundenen Bronzeschilden. Diese
tragen zum Teil eine Löwenprotome als Mittelemblem, oder sie zei-
gen, wie der Schild Taf. 17,i die nackte Göttin als Herrin über Löwen.
Der Bildtypus erinnert äußerlich an das Schema der Artemis als
jtorvta UriQtov, von der es im homerischen Aphrodite-Hymnus (V 18)
heißt, daß sie „in den Bergen das Wild erlegt“. Ganz anders übt im
selben Hymnus die Liebesgöttin ihre Macht über die wilden Tiere
aus. Es heißt dort von Aphrodite, die auf dem Weg zu Anchises ist
(68 ff.):
Und sie kam zum Idagebirge, der Mutter des Wildes,
Voll von Quellen, und stieg gradwegs zum Gehöfte den Berg
hoch.
Mit ihr zogen mit wedelnden Schweifen Rudel von grauen
Wölfen, Löwen mit funkelndem Blick und Bären und schnelle
Panther, hirschkalblüsterne. Die aber freut es im Herzen,
Sie zu sehn, und Liebesverlangen regt sie in ihnen;
Und bald ruhten sie alle zu zweit in den schattigen Schluchten.
Die orientalische Liebesgöttin und Herrin über die Tiere war zu-
gleich Kriegsgöttin, die griechische dagegen nicht. Sie überließ die
kriegerischen Eigenschaften der Athene. Zeus sagt zu Aphrodite in
der Ilias (5, 428ff.):
Dir sind nicht gegeben, mein Kind, die Werke des Krieges.
Wende dich lieber zu | den lieblichen Werken der Hochzeit!
Dies wird alles Athene und Ares, der schnelle, besorgen.
97 Kunze, KB. 202.
98 Haussig, Wörterbuch I 179. 245. 423. - Die karthagische Himmelsgöttin, latini-
siert Caelestis, ist auf einem Giebelrelief im Mus. Capitol, auf einem
Löwen reitend dargestellt: Helbig, Führer II4 Nr. 1187 (Simon).
99 Haussig, Wörterbuch I 85. 179. 251; vielleicht gehört in diesen Zusammenhang
die ungewöhnliche Helmform in Gestalt eines Löwenkopfes auf der Bronze-
mitra B 4900 aus Olympia, H. Bartels, Mitren, VIII. Olympia-Bericht (1967)
202 f. Taf. 102. 103. 105,3.
 
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