Kretische Löwenschale des siebten Jahrhunderts v. Chr.
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dann in Urnen geborgen und in größeren Pithoi beigesetzt. Dieser
Totenasche wurde meist ein kleines Gefäß mit Salböl beigegeben110.
Daß man die Toten vor der Verbrennung salbte, und daß ihnen
selbst auf dem Scheiterhaufen Salböl beigegeben wurde, erfahren
wir auch aus der Leichenzeremonie für Patroklos in der Ilias (18, 350;
23, 170). Da heißt es von Achill:
Und er stellte hinein Amphoren voll Honig und Salböl
An die Bahre gelehnt.
Etwa in der Mitte des großen Kuppelgrabes von Arkades befand
sich ein 28 cm hoher, unverzierter Pithos, der aber diesmal keine
Totenasche enthielt sondern winzige Knochen eines Kleinkindes. Es
war nicht verbrannt sondern in diesem Pithos bestattet worden. Un-
mittelbar darunter, zum großen Teil von dem Pithos bedeckt, fand
sich „il piü bell’ oggetto fittile della tomba“, der Löwe von Arka-
des111. Es ist nach dem Grabungsbefund anzunehmen, daß der Löwe
als Beigabe für das in dem Pithos bestattete Kleinkind diente.
Nach der oben beschriebenen Funktionsweise der Heidelberger
Löwenschale und der analogen des Löwen aus Arkades ist es nicht
wahrscheinlich, daß diese so sichtlich für den Gebrauch bestimmten
Salbgefäße speziell als Grabbeigaben getöpfert waren. Auch glauben
wir gezeigt zu haben, daß der mit Liebesgöttin und Salböl verbun-
dene Löwe zu bedeutsam ist, als daß es sich hierbei um einfache
Töpferspielereien handelt, die es zu allen Zeiten gab. Angehörige
vornehmer Geschlechter hatten häufig Priesterwürden inne. So wäre
denkbar, daß der Löwe von Arkades zunächst im Leben bei Kult-
ausübungen Verwendung fand, ehe er dem Kind ins Grab mitgege-
ben wurde. Gewiß hatte man das so früh verstorbene Kind vor der
Beisetzung mit kostbarem Duftöl aus dem Löwengefäß gesalbt. Noch
nach Lukian (de luctu 11) salbte man die Verstorbenen mit der besten
Salbe, um ihre Zersetzung zu verhindern oder doch zu verlang-
samen112. Zugleich mag die Salbung die Absicht verfolgt haben, dem
Kind mit der „ambrosischen Salbe“ etwas zukommen zu lassen, was
im Demeter-Hymnus die Göttin als Amme dem Säugling Demophon
gibt, „als sei er von göttlicher Herkunft“ (II 236f.). In einer solchen
Salbung wäre dann eine Art von Makarismos zu erblicken. Schließ-
110 Vgl. die schematische Übersicht der Pithosgräber Arkades Abb. 57.
111 Arkades 237 ff. mit Abb. 281 und Tat. 19.
112 A. Schmidt, Drogen und Drogenhandel im Altertum (1924) 42. 46.
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dann in Urnen geborgen und in größeren Pithoi beigesetzt. Dieser
Totenasche wurde meist ein kleines Gefäß mit Salböl beigegeben110.
Daß man die Toten vor der Verbrennung salbte, und daß ihnen
selbst auf dem Scheiterhaufen Salböl beigegeben wurde, erfahren
wir auch aus der Leichenzeremonie für Patroklos in der Ilias (18, 350;
23, 170). Da heißt es von Achill:
Und er stellte hinein Amphoren voll Honig und Salböl
An die Bahre gelehnt.
Etwa in der Mitte des großen Kuppelgrabes von Arkades befand
sich ein 28 cm hoher, unverzierter Pithos, der aber diesmal keine
Totenasche enthielt sondern winzige Knochen eines Kleinkindes. Es
war nicht verbrannt sondern in diesem Pithos bestattet worden. Un-
mittelbar darunter, zum großen Teil von dem Pithos bedeckt, fand
sich „il piü bell’ oggetto fittile della tomba“, der Löwe von Arka-
des111. Es ist nach dem Grabungsbefund anzunehmen, daß der Löwe
als Beigabe für das in dem Pithos bestattete Kleinkind diente.
Nach der oben beschriebenen Funktionsweise der Heidelberger
Löwenschale und der analogen des Löwen aus Arkades ist es nicht
wahrscheinlich, daß diese so sichtlich für den Gebrauch bestimmten
Salbgefäße speziell als Grabbeigaben getöpfert waren. Auch glauben
wir gezeigt zu haben, daß der mit Liebesgöttin und Salböl verbun-
dene Löwe zu bedeutsam ist, als daß es sich hierbei um einfache
Töpferspielereien handelt, die es zu allen Zeiten gab. Angehörige
vornehmer Geschlechter hatten häufig Priesterwürden inne. So wäre
denkbar, daß der Löwe von Arkades zunächst im Leben bei Kult-
ausübungen Verwendung fand, ehe er dem Kind ins Grab mitgege-
ben wurde. Gewiß hatte man das so früh verstorbene Kind vor der
Beisetzung mit kostbarem Duftöl aus dem Löwengefäß gesalbt. Noch
nach Lukian (de luctu 11) salbte man die Verstorbenen mit der besten
Salbe, um ihre Zersetzung zu verhindern oder doch zu verlang-
samen112. Zugleich mag die Salbung die Absicht verfolgt haben, dem
Kind mit der „ambrosischen Salbe“ etwas zukommen zu lassen, was
im Demeter-Hymnus die Göttin als Amme dem Säugling Demophon
gibt, „als sei er von göttlicher Herkunft“ (II 236f.). In einer solchen
Salbung wäre dann eine Art von Makarismos zu erblicken. Schließ-
110 Vgl. die schematische Übersicht der Pithosgräber Arkades Abb. 57.
111 Arkades 237 ff. mit Abb. 281 und Tat. 19.
112 A. Schmidt, Drogen und Drogenhandel im Altertum (1924) 42. 46.