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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1973, 4. Abhandlung): Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus: vorgetragen am 9. Dez. 1972 — Heidelberg, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.44332#0008
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Viktor Pöschl

Leo in Übereinstimmungen, die er zwischen Euripides und Plautus
fand, einen Beweis dafür gesehen, daß Plautus auf die griechische
Komödie, die er bearbeitete, zurückgeht. Die Möglichkeit, daß
Plautus Techniken, die das griechische Bühnenspiel, Tragödie wie
Komödie, entwickelt hatte, auch dort verwenden konnte, wo seine
Vorlage diese Technik nicht angewandt hatte, hat er nicht erwogen.
Bestimmend war für ihn das Bestreben, die verlorenen griechischen
Originale aus Plautus wiederzugewinnen1. Das Modell der Textkritik
wurde sozusagen auf das Verhältnis Griechenland-Rom angewendet,
und das führte notwendig dazu, daß er die Originalität des Plautus
relativ gering einschätzte und sie im wesentlichen nur dort anerkannte,
wo sie auf der Hand lag, also in Anspielungen auf Dinge der römischen
Welt, in der Umsetzung von Sprechversen in lyrische Partien, die ja in
der neueren griechischen Komödie fehlten, und überhaupt in Sprache
und Stil. Damit war auch die Frage der Qualität eindeutig präjudi-
ziert: «Die Komödien waren schöner und besser» - ich zitiere Leo -
«ehe Plautus sie sich zu eigen machte2.» Demgegenüber hat dann
Leos Schüler Eduard Fraenkel 1922 in seinem Werk <Plautinisches
im Plautus> den Eigenwert der plautinischen Kunst herausgestellt,
indem er in werkimmanenter Interpretation eine ganze Reihe plauti-
nischer Denk- und Ausdrucksformen und charakteristische Neigungen
der plautinischen Phantasie nachwies. Das Buch war ein großer Wurf,
ich stehe nicht an, in ihm den bisher wichtigsten Beitrag zur Frage
der Originalität des Plautus zu sehen. Doch hielt auch er an der Mei-
nung Leos fest, daß Plautus seine Vorlagen im wesentlichen mehr
oder weniger frei übersetzte, dabei aber erhebliche Erweiterungen,
namentlich in den Monologen und den lyrischen Partien, vornahm
und sich Abschweifungen witzigen, skurrilen, possenhaften Charak-
ters gestattete. So formuliert Fraenkel (S. 402): «Das Ganze kommt
nicht vorwärts. Wenn Plautus mit seinen Späßen aufhört, ist man am
gleichen Punkt wie vorher . . . was er aus Eigenem gibt, ist kein im
eigentlichen Sinne dramatischer Dialog, sondern ein viel anspruchs-
loseres Spiel, eine genial gehandhabte Clownsunterhaltung», und be-
sonders charakteristisch (S. 405): «Er legt ein, aber er verschmilzt
nicht. Der Grund dafür ist keineswegs nur in der Sorglosigkeit des
1 E. Fraenkel, Plautinisches im Plautus, 1922, S. 4 hat mit Recht gesagt: «Leo
liebte den Plautus, aber er liebte die attische Komödie noch mehr, und wenn er
durch das Werk des Römers hindurch griechische Kunstformen wahrnahm, so
gab ihm das eine letzte Befriedigung.»
2 F. Leo a.O., S. 87.
 
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