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Viktor Pöschl
Bevor wir den Vergleich durchführen, müssen wir uns vergegen-
wärtigen, was der Plautusszene vorangegangen ist. Zwei Jahre, bevor
das Stück beginnt, wurde ein junger Athener namens Mnesilochus
von seinem Vater Nicobulus beauftragt, eine Schuld in Ephesus ein-
zutreiben. Nicobulus gehört zu den Komödienvätern, die von Geld-
gier ganz besessen sind. Es gibt da eine lange Ahnenreihe, die mit
Aristophanes beginnt. Zu ihr gehört der Demea in den <Brüdern> des
Terenz, die nach einem Stück des Menander gearbeitet sind, der Smi-
krines in dem neuentdeckten <Schild> des Menander, der widerwärtig-
ste von allen, und vor allem natürlich der Euclio der Aulularia des
Plautus, der durch Moliere der berühmteste aller Geizhälse geworden
ist. Auf der Reise macht Mnesilochus die Bekanntschaft eines jungen
Mädchens und verliebt sich in sie. Er hört, daß sie nach Athen fahren
muß, und schreibt seinem Freund Pistoclerus, er solle sie dort aus-
findig machen. Der findet sie tatsächlich in einem Haus zweifelhaften
Charakters, wo sie soeben eingetroffen und bei ihrer Schwester ab-
gestiegen ist, die ihr zum Verwechseln ähnlich ist - «wie man Milch
nicht von Milch nicht unterscheiden kann», wie Plautus sagt. Der
Anfang des Stückes ist verloren, aber es fehlt nicht allzu viel. Der
Text setzt mit einer köstlichen Szene ein, in der eben diese Schwester den
Pistoclerus zu verführen sucht. Sie läßt dabei alle Register spielen.
Zuerst appelliert sie an die Verpflichtung, die er seinem Freund ge-
genüber hat. Ihre Schwester ist nämlich in einer großen Gefahr. Es
wird in Kürze ein Soldat erscheinen, der sie gemietet hat und mit-
nehmen will, und da wäre es gut, wenn Pistoclerus zugegen wäre, um
den verliebten Krieger einzuschüchtern. Es wird sich dann darum
handeln - und das ist der Hauptinhalt des Stückes -, den Soldaten mit
Geld abzufinden und so das Mädchen für Mnesilochus freizubekom-
men. Die Kaufsumme wird natürlich aus den zwölfhundert Gold-
dukaten abgezweigt, die Mnesilochus aus Ephesus mitgebracht hat,
und die er seinem Vater zunächst unterschlägt, dann doch aushändigt
und schließlich durch allerlei Betrügereien, die der Sklave Chrysalus
inszeniert, dem alten Geizhals wieder entlockt. Den Verführungskün-
sten leistet Pistoclerus zunächst Widerstand, worauf das Mädchen
meint, es würde ja auch genügen, wenn er nur so täte, als liebe er sie.
Als auch das keine Wirkung tut, bedeutet sie ihm: «Gut, dann geh
der römischen Welt, I, 1972 Berlin, S. 1027-1113. - Vgl. auch den ausgezeichneten
Artikel von Μ. Barchiesi, Problematica e Poesia in Plauto, Maia 9, 1958, p. 163-
203.
Viktor Pöschl
Bevor wir den Vergleich durchführen, müssen wir uns vergegen-
wärtigen, was der Plautusszene vorangegangen ist. Zwei Jahre, bevor
das Stück beginnt, wurde ein junger Athener namens Mnesilochus
von seinem Vater Nicobulus beauftragt, eine Schuld in Ephesus ein-
zutreiben. Nicobulus gehört zu den Komödienvätern, die von Geld-
gier ganz besessen sind. Es gibt da eine lange Ahnenreihe, die mit
Aristophanes beginnt. Zu ihr gehört der Demea in den <Brüdern> des
Terenz, die nach einem Stück des Menander gearbeitet sind, der Smi-
krines in dem neuentdeckten <Schild> des Menander, der widerwärtig-
ste von allen, und vor allem natürlich der Euclio der Aulularia des
Plautus, der durch Moliere der berühmteste aller Geizhälse geworden
ist. Auf der Reise macht Mnesilochus die Bekanntschaft eines jungen
Mädchens und verliebt sich in sie. Er hört, daß sie nach Athen fahren
muß, und schreibt seinem Freund Pistoclerus, er solle sie dort aus-
findig machen. Der findet sie tatsächlich in einem Haus zweifelhaften
Charakters, wo sie soeben eingetroffen und bei ihrer Schwester ab-
gestiegen ist, die ihr zum Verwechseln ähnlich ist - «wie man Milch
nicht von Milch nicht unterscheiden kann», wie Plautus sagt. Der
Anfang des Stückes ist verloren, aber es fehlt nicht allzu viel. Der
Text setzt mit einer köstlichen Szene ein, in der eben diese Schwester den
Pistoclerus zu verführen sucht. Sie läßt dabei alle Register spielen.
Zuerst appelliert sie an die Verpflichtung, die er seinem Freund ge-
genüber hat. Ihre Schwester ist nämlich in einer großen Gefahr. Es
wird in Kürze ein Soldat erscheinen, der sie gemietet hat und mit-
nehmen will, und da wäre es gut, wenn Pistoclerus zugegen wäre, um
den verliebten Krieger einzuschüchtern. Es wird sich dann darum
handeln - und das ist der Hauptinhalt des Stückes -, den Soldaten mit
Geld abzufinden und so das Mädchen für Mnesilochus freizubekom-
men. Die Kaufsumme wird natürlich aus den zwölfhundert Gold-
dukaten abgezweigt, die Mnesilochus aus Ephesus mitgebracht hat,
und die er seinem Vater zunächst unterschlägt, dann doch aushändigt
und schließlich durch allerlei Betrügereien, die der Sklave Chrysalus
inszeniert, dem alten Geizhals wieder entlockt. Den Verführungskün-
sten leistet Pistoclerus zunächst Widerstand, worauf das Mädchen
meint, es würde ja auch genügen, wenn er nur so täte, als liebe er sie.
Als auch das keine Wirkung tut, bedeutet sie ihm: «Gut, dann geh
der römischen Welt, I, 1972 Berlin, S. 1027-1113. - Vgl. auch den ausgezeichneten
Artikel von Μ. Barchiesi, Problematica e Poesia in Plauto, Maia 9, 1958, p. 163-
203.