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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1973, 4. Abhandlung): Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus: vorgetragen am 9. Dez. 1972 — Heidelberg, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.44332#0019
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Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus 17
S: ... der zuvor mein Freund war

du hast (mir) Unrecht getan.
M: Ich hätte dir Unrecht getan? Das möge nie gesche¬
hen, Sostratos!
S: Ich hätte es auch selbst nicht erwartet.
M: Was meinst du denn? . . .
Während so der enttäuschte junge Mann bei Menander sehr
schnell mit dem Vorwurf herausrückt: «Du hast Unrecht getan»:
ήδίκηκας, wird die Begegnung der Freunde bei Plautus sehr viel span-
nender, witziger und psychologisch interessanter gestaltet. Dabei muß
man sich klar machen, mit welcher Ungeduld der Zuschauer auf die
Begegnung wartet. Um die Spannung nicht ermatten zu lassen, hat
ja Plautus die beiden Szenen mit dem Vater gestrichen und den zwei-
ten Monolog wesentlich gekürzt. Als sich die beiden Freunde dann
gegenüberstehen, ist die Erwartung aufs Höchste gestiegen: Wie wird
Mnesilochus sich verhalten? Wie wird Pistoclerus reagieren? Man
kann sich leicht vorstellen, mit welcher Aufmerksamkeit ein medi-
terranes Theaterpublikum, und nicht nur ein mediterranes, in einem
solchen Augenblick das Bühnengeschehen verfolgt, wie es von der
atemlosen Spannung ergriffen wird, die Kinder im Theater packt,
wenn sie den Moment erwarten, wo der Schneider Böck die ange-
sägte Brücke betreten wird. Es ist ein dramatischer Moment par
excellence. «Wenn zwei Leute Kaffee trinken», hat Dürrenmatt einmal
gesagt16, «und sich dabei über das Wetter unterhalten, so ist das nicht
dramatisch. Aber dramatisch wird es, wenn das Publikum weiß, daß
der Kaffee vergiftet ist.» Und hier ist der Kaffee vergiftet. Plautus hat
mit sicherem Bühneninstinkt die großartige Gelegenheit ergriffen, die
sich ihm hier bot, während Menander seinen Sostratos allzu schnell
mit seinem ήδίκηκας, du hast Unrecht getan, herausplatzen läßt.
Bei Plautus verläuft die Szene nun so (536 ff.):
P.: Sei gegrüßt, Mnesilochus!
Μ.: Du auch.
P.: Jetzt, wo du gesund aus der Fremde kommst, soll für dich
ein Mahl veranstaltet werden.
Μ.: Ich habe kein Gefallen an einem Mahl, wo mir die Galle
hochkommt.
16 Zitiert bei W. Jens, Die Bauformen der griechischen Tragödie, 1971, Einleitung.

2 Pöschl, Menanderpapyri
 
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