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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1973, 4. Abhandlung): Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus: vorgetragen am 9. Dez. 1972 — Heidelberg, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.44332#0028
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Viktor Pöschl

ren, wenn sie ihn selbst betrifft. Ich beschränke mich auf einige will-
kürlich herausgegriffene Beispiele.
Im Märchen erscheint die fiktive Überführungsrede am Schluß der
Erzählung, indem der Übeltäter durch seine Stellungnahme zur fikti-
ven Geschichte gezwungen wird, sich selbst das Urteil zu sprechen,
so zum Beispiel im Grimmschen Märchen «Die Gänsmagd», die dem
Typ des Märchens von der vertauschten Braut angehört. Da hat die
Magd die Königstochter zum Kleidertausch genötigt und gibt sich
nun dem Königssohn gegenüber selbst als Königstochter aus. Aber
der Betrug wird durch ein sprechendes Pferd entdeckt: <Als sie nun
gegessen und getrunken hatten und guten Muts waren, gab der alte
König der Kammerfrau ein Rätsel auf, was eine solche wert wäre, die
den Herren so betrogen hätte>, erzählte damit den ganzen Verlauf und
fragte: «Welches Urteils ist diese würdig?» Da sprach die falsche
Braut: «Die ist nichts besseres wert, als daß sie splitternackt ausge-
zogen und in ein Faß gesteckt wird, das inwendig mit spitzen Nägeln
beschlagen ist: und zwei weiße Pferde müssen vorgespannt werden,
die sie Gasse auf, Gasse ab zu Tode schleifen.» «Das bist du», sprach
der alte König, «und hast dein eigen Urteil gefunden, und danach soll
dir widerfahren.»
Ganz ähnlich ist der Schluß des dem gleichen Typ angehörenden
Märchens von der <Weißen und schwarzen Braut> (135 Bolte-
Polivka)23. Es ist jedoch nicht richtig, daß dieser Schluß nur in dem
Typ von der vertauschten Braut auftaucht, wie Bolte-Polivka er-
klären24, sondern wir finden ihn auch beispielsweise in dem Märchen
<Der gelernte Jäger> (111 B.-P.), <Die drei Männlein im Walde> (13
B.-P.), <Der Räuberbräutigam> (40 B.-P.)25.

23 J. Bolte-Polivka, Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder
Grimm, 5 Bds., Leipzig 1913ff., Neudruck Hildesheim 1963. Ausgabe: Kinder-
und Hausmärchen, gesammelt durch die Brüder Grimm, Wiss. Buchgesellschaft
Darmstadt 1971.
24 a.O. I, S. 85.
25 Vgl. auch E. Cosquin, Contes populaires de la Lorraine I, Paris 1886, S. 212:
Nr. 19, Le petit bossu.
E. Henri Carnoy, Contes fran$ais, Paris 1885, S. 203, Les trois filles et les trois
cavaliers.
Neben dem Typ, wo dem Täter sein eigenes Verbrechen als fremder Fall zur Be-
urteilung vorgelegt wird, worauf er unwissentlich über sich selbst das Urteil
spricht, gibt es noch einen anderen: ein Geschehen wird auf der fiktiven Ebene
erzählt, am Schluß erfolgt die Auflösung: L. Morin, L’oiseau qui dit tout, Revue
des traditions populaires, V 735.
 
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