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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1973, 4. Abhandlung): Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus: vorgetragen am 9. Dez. 1972 — Heidelberg, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.44332#0030
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Viktor Pöschl

als höfliche Mitteilung der Ermahnung oder Bitte. Nach Meuli29
dient die Fabel als diplomatisches Mittel, sich einem Höhergestellten
zu empfehlen oder als Waffe für die Kleinen und Schwachen gegen
ihre Herren, wie die parabolische Rede bis heute ein Mittel im politi-
schen Kampf geblieben ist30. Meuli will darin geradezu den Ursprung
der Fabeln sehen als Produkt einer sozialen Klasse und Ausdruck der
Sklavenmoral. Perry bestreitet dies, gibt aber zu, daß die <Fabel>,
(worunter er ganz allgemein jede Gleichnisrede versteht), als diploma-
tisches Mittel der Ermahnung, Bitte oder Anklage von der jeweiligen
Stellung des Erzählers und den äußeren Umständen her bestimmt war,
was ja für die erwähnten Gleichnisreden des Alten Testaments ganz
offensichtlich zutrifft. In diesen Zusammenhang ordnet sich nun aber
auch, was bisher nicht bemerkt wurde, Horaz ein, der sich in seinen
Episteln und Satiren der Form der Fabel bedient, um das Verhältnis
zu Maecenas zu charakterisieren31.
Wie die indirekte Form der Anklage in die griechische Tragödie
Eingang gefunden hat, zeigt das von Perry angeführte Streitgespräch
zwischen Menelaos und Teukros im Aias des Sophokles (v. 1142ff.):
ME. Einst sah ich einen Mann, der mit der Zunge kühn
das Schiffsvolk antrieb, abzufahren auch bei Sturm,
von dem man keinen Laut mehr hörte als die Wut
des Sturms ihn griff, in seinen Mantel eingehüllt
dürft ihn ein jeder Schiffsmann treten, dem’s gefiel.
Genauso wird auch dir und deinem frechen Mund
aus kleiner Wolke hergeweht ein großer Sturm
gar bald auslöschen dein gewaltiges Geschrei.
TEU. Und ich sah einen Mann, der voller Torheit war,
der stolz in seines Nächsten Leid sich brüstete,
und ihn erblickt ein anderer, der mir ähnlich war,
mir gleich an Sinnesart. Der sprach zu ihm das Wort:

29 K. Meuli, Herkunft und Wesen der Fabel, Schweizerisches Archiv für Volkskunde
50, 1954.
30 Beispiele bei R. Dithmar, a.O. S. 22. Den Pantschatantra (5 Bücher indischer
Fabeln, Märchen und Erzählungen. Aus dem Sanskrit übersetzt mit Einleitung
und Anmerkungen von Th. Benfey, 2 Teile, Leipzig 1859) erklärte der Herausgeber
für einen Fürstenspiegel: «Daß man für ihn gerade diese Form wählte, wird seine
Veranlassung in der orientalischen Sitte gefunden haben: Lehren in Hüllen von
Fabeln zu kleiden zu welchen der Despotismus des Orients gerade vor Königen
nicht selten in Wirklichkeit raten mochte.»
31 V. Pöschl, Horaz und die Politik, SBHeidAkad 19632 S. 12.
 
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