Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus
29
Du Mensch, begeh an Toten keine Freveltat.
Denn tust du dies, so wisse, daß du’s büßen mußt
So warnend trat er hin vor den Verblendeten.
Und diesen seh’ ich, und es ist, so dünkt es mich,
kein anderer als du selbst31.
Die Struktur der Szene ist der des plautinischen Dialogs insofern
verwandt, als der Kunstgriff des fiktiven Dritten in Rede und Gegen-
rede dramatisch wirksam wird. Im Bacchidendialog verläuft das so,
daß Philoxenus, nicht ahnend, daß die Rede des Freundes ihn selbst be-
trifft, den <falschen Freund> in seine Erfahrung mit falschen Freunden
einordnet, worauf Mnesilochus in spitzer Replik erwidert, welche
Strafe solche falschen Freunde ereilt. Die spitze Replik auf fiktiver
Ebene ist beiden Szenen gemein.
Bei Herodot erscheint der Typ der orientalischen Gleichnisrede
zum erstenmal in der Geschichtschreibung, und das ist nicht erstaun-
lich, hat man doch auch sonst, wie namentlich K. Reinhardt ge-
zeigt hat, bei ihm den Einfluß orientalischer Erzählformen nachweisen
können. Nach der Ermordung des Smerdis durch seinen Bruder
Kambyses, berichtet Herodot folgendes (3,32): Nach der ägyptischen
Überlieferung hat die Frau, als sie mit dem König bei Tische saß,
einen Salatkopf genommen, ihn entblättert und ihren Gemahl gefragt,
ob der entblätterte oder der volle Kopf schöner sei. Als der König
sagte: « Der volle», antwortete sie: «Was ich dem Salatkopf, das hast
du dem Haus des Kyros getan. Du hast es öde gemacht.» Er er-
grimmte und trat sie mit Füßen, sie aber war schwanger, gebar zu
früh und starb32. Ein anderes Beispiel bietet Herodot 1,41: Als die
Ionier nach der Eroberung Lydiens durch die Perser sich dem Kyros
unter denselben Bedingungen unterwarfen, wie einst dem Krösus, er-
zählte Kyros ihnen als Antwort eine Fabel: «Ein Flötenspieler sah die
Fische im Wasser und fing an zu blasen, denn er meinte, sie würden
zu ihm ans Land kommen. Als er sich in dieser Hoffnung getäuscht
sah, nahm er ein Netz, fing eine große Menge Fische und zog sie
heraus. Als er sie nun zappeln sah, sagte er: «Laßt nur jetzt das Tan-
zen! Vorher, als ich die Flöte blies, damit ihr ans Land kämet und tan-
31 Perry erwähnt ferner die Szene aus der Odyssee (14, 459ff.), wo Odysseus als
Bettler in kalter Regennacht in indirekter Form durch eine als eigenes Erlebnis
ausgegebene Erzählung, wie ihm als einem der Kämpfer von Troja Odysseus zu
einem Mantel verholfen habe, den Eumaios um einen Mantel bittet.
32 Übersetzung von Horneffer, Herodot, Kröner, TB 224, 1955.
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Du Mensch, begeh an Toten keine Freveltat.
Denn tust du dies, so wisse, daß du’s büßen mußt
So warnend trat er hin vor den Verblendeten.
Und diesen seh’ ich, und es ist, so dünkt es mich,
kein anderer als du selbst31.
Die Struktur der Szene ist der des plautinischen Dialogs insofern
verwandt, als der Kunstgriff des fiktiven Dritten in Rede und Gegen-
rede dramatisch wirksam wird. Im Bacchidendialog verläuft das so,
daß Philoxenus, nicht ahnend, daß die Rede des Freundes ihn selbst be-
trifft, den <falschen Freund> in seine Erfahrung mit falschen Freunden
einordnet, worauf Mnesilochus in spitzer Replik erwidert, welche
Strafe solche falschen Freunde ereilt. Die spitze Replik auf fiktiver
Ebene ist beiden Szenen gemein.
Bei Herodot erscheint der Typ der orientalischen Gleichnisrede
zum erstenmal in der Geschichtschreibung, und das ist nicht erstaun-
lich, hat man doch auch sonst, wie namentlich K. Reinhardt ge-
zeigt hat, bei ihm den Einfluß orientalischer Erzählformen nachweisen
können. Nach der Ermordung des Smerdis durch seinen Bruder
Kambyses, berichtet Herodot folgendes (3,32): Nach der ägyptischen
Überlieferung hat die Frau, als sie mit dem König bei Tische saß,
einen Salatkopf genommen, ihn entblättert und ihren Gemahl gefragt,
ob der entblätterte oder der volle Kopf schöner sei. Als der König
sagte: « Der volle», antwortete sie: «Was ich dem Salatkopf, das hast
du dem Haus des Kyros getan. Du hast es öde gemacht.» Er er-
grimmte und trat sie mit Füßen, sie aber war schwanger, gebar zu
früh und starb32. Ein anderes Beispiel bietet Herodot 1,41: Als die
Ionier nach der Eroberung Lydiens durch die Perser sich dem Kyros
unter denselben Bedingungen unterwarfen, wie einst dem Krösus, er-
zählte Kyros ihnen als Antwort eine Fabel: «Ein Flötenspieler sah die
Fische im Wasser und fing an zu blasen, denn er meinte, sie würden
zu ihm ans Land kommen. Als er sich in dieser Hoffnung getäuscht
sah, nahm er ein Netz, fing eine große Menge Fische und zog sie
heraus. Als er sie nun zappeln sah, sagte er: «Laßt nur jetzt das Tan-
zen! Vorher, als ich die Flöte blies, damit ihr ans Land kämet und tan-
31 Perry erwähnt ferner die Szene aus der Odyssee (14, 459ff.), wo Odysseus als
Bettler in kalter Regennacht in indirekter Form durch eine als eigenes Erlebnis
ausgegebene Erzählung, wie ihm als einem der Kämpfer von Troja Odysseus zu
einem Mantel verholfen habe, den Eumaios um einen Mantel bittet.
32 Übersetzung von Horneffer, Herodot, Kröner, TB 224, 1955.