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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1973, 4. Abhandlung): Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus: vorgetragen am 9. Dez. 1972 — Heidelberg, 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.44332#0037
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Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus 35
Der Grund aber, warum Leo den Passus nicht als spätere Inter-
polation ausscheiden wollte, war eben der, daß er darin Menander zu
erkennen glaubte, den Moralisten Menander sozusagen, der treffende
Bemerkungen über menschliche Eigenheiten und Schwächen in den
Text einfließen läßt und den die antike Popularphilosophie so gerne
zitiert, weil man Lebensweisheit aus ihm gewinnen kann. Der Papyrus-
fund hat dies widerlegt. Überraschenderweise spricht nicht mehr Me-
nander, sondern Plautus, und selbst wenn man sich darauf zurück-
ziehen wollte, daß Plautus hier vielleicht eine Menanderstelle aus
einem verlorenen Stück zitieren konnte, was a priori nicht auszu-
schließen ist37, so ist das völlig sekundär gegenüber der Funktion des
Passus in der Szene, die in jedem Fall die eigene Erfindung des Plautus
ist. Die Feinheit der plautinischen Szene liegt in der selbständigen dra-
matischen Gestaltung des Dialogs, die man nach den bisher geltenden
Konventionen der Plautusforschung am wenigsten dem römischen
Dichter zugetraut hätte. Plautus hat hier tatsächlich frei geschaffen,
frei, was die Textvorlage des <Doppelten Betrügers> betrifft, aber na-
türlich hat er Techniken angewandt, die ihm aus zahlreichen, zum
großen Teil verlorenen Komödien der griechischen und römischen
Bühne wohl bekannt waren, und er hat über diese Techniken nicht
weniger frei verfügt als die attischen Dichter. Das ist weit weniger
verwunderlich als die bisher geltende Annahme, daß er getreulich
übersetzt und in die Übersetzung Passagen eingeschoben habe, die
man nicht selten daran zu erkennen glaubte, daß Plautus nach der
Einfügung einen Satz wiederholt, um so den Anschluß an die Vorlage
wiederzugewinnen, was in einigen Fällen sicher der Fall ist. In unserer
Szene fehlen solche Satzwiederholungen, die die Klammer wieder
schließen, worauf schon Cesare Questa aufmerksam gemacht hat.
Auch in diesem Punkt wird also die Plautusforschung widerlegt.
Schilderung der falschen Freunde Bacch. 540-551, obwohl sie im Ambrosianus
fehlt, von Menander her.»
A. Thierfelder, De Rationibus interpolationum Plautinarum, Leipzig 1929,
S. 4, Anm. 2: «Bacchidum praesentem de falsis amicis dissertationem summae
venustatis plenam iam nemo delet, postquam a praecoci damnationis Studet-
mundi (Festgruß der philologischen Gesellschaft Würzburg 1968, 43) per Leo-
nern vindicata est: quo uno exemplo eluditur Ambrosiani de qua somniaverunt-
circa has res stricta auctoritas.»
37 C. Questa Nuovi Testi Menandrei, Maia 22, 1970 p. 348
C. Questa ist dieser Meinung, wobei er den Begriff «contaminazione a di-
stanza» prägt.

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