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Hans Armin Gärtner
Abschluß dieser Einführung - wird noch gesagt, daß auch die Mehr-
zahl der Glücks- und Unglücksfälle nicht ohne die engagierte Mit-
wirkung der Menschen eintritt (11,20).
Bei dieser Argumentation wird, wie schon gezeigt (S. 24), gleich
anfangs auf 1,11 Bezug genommen, indem der Schutz des Menschen-
lebens als Ziel gesetzt wird. Auch hier gehen die Gedanken von den
auch in 1,11 festgehaltenen Urtrieben der Menschen aus. Ähnlich
ist auch hier die Methode des Ausgehens vom Empirisch-Feststell-
baren. In immer steigendem Maße treten in der folgenden Dar-
stellung die Menschen als Faktoren bei der Verwirklichung des
Nützlichen in den Vordergrund. Darum muß man zur Verwirklichung
des Nützlichen ihre eifrige Teilnahme erringen; das geschieht <sa-
pientia et virtute>. Diese <virtutes> werden beschrieben, und es ist
nicht nur eine inhaltliche Ähnlichkeit zu 1,15 da, sondern auch eine
methodische, insofern als auf die empirisch-induktive Ableitung auch
hier eine dogmatisch-systematische Darstellung (11,17/18) folgt und
dieser sich dann die konkrete Anwendung anschließt. In 1,15 folgten
auf die <forma honestb bestimmte Arten der Pflichten, hier (11,19)
werden im folgenden die <rationes> aufgezeigt, mit denen man die
<studia> der Menschen gewinnt. Ob man auch hier, wie bei 1,16 und
1,100 (vgl. S. 24 u. 52/3), von deduktiver Ableitung dieser <rationes>
sprechen kann, ist nicht ganz sicher; doch gehen die in § 21 ein-
setzenden Einzelerörterungen von dem in 11,18 aufgestellten System
aus.
Die Einführung des <decorum>
Neben diesen breiten Einführungen des <honestum> am Anfang
des ersten und des <utile> am Anfang des zweiten Buches finden wir
überraschenderweise noch eine weitere größere Einführung innerhalb
des 1. Buches. Die Behandlung der 4. Kardinaltugend wird breit
(1,93-99) eröffnet.
Die im 1. Buch vorangegangenen Darlegungen über die drei
anderen Kardinaltugenden hatten jeweils nur einen oder zwei vor-
bereitende allgemeine Sätze: 1,18; 20; 6113. Deshalb muß die größere
13 Gred Ibscher, Der Begriff des Sittlichen in der Pflichtenlehre des Panaitios,
Diss. München (1934), weist (S. 90) mit Recht darauf hin, daß bei der Einleitung
des άνδρεία-Abschnittes wie bei der Ableitung des σωφροσύνη-Pflichtgedankens
(sprich <decorum>) ein induktives Verfahren eingeschlagen wird. Die Beobach-
tungen an 1,61 sind richtig; doch liegen die Unterschiede zur Einführung des
Hans Armin Gärtner
Abschluß dieser Einführung - wird noch gesagt, daß auch die Mehr-
zahl der Glücks- und Unglücksfälle nicht ohne die engagierte Mit-
wirkung der Menschen eintritt (11,20).
Bei dieser Argumentation wird, wie schon gezeigt (S. 24), gleich
anfangs auf 1,11 Bezug genommen, indem der Schutz des Menschen-
lebens als Ziel gesetzt wird. Auch hier gehen die Gedanken von den
auch in 1,11 festgehaltenen Urtrieben der Menschen aus. Ähnlich
ist auch hier die Methode des Ausgehens vom Empirisch-Feststell-
baren. In immer steigendem Maße treten in der folgenden Dar-
stellung die Menschen als Faktoren bei der Verwirklichung des
Nützlichen in den Vordergrund. Darum muß man zur Verwirklichung
des Nützlichen ihre eifrige Teilnahme erringen; das geschieht <sa-
pientia et virtute>. Diese <virtutes> werden beschrieben, und es ist
nicht nur eine inhaltliche Ähnlichkeit zu 1,15 da, sondern auch eine
methodische, insofern als auf die empirisch-induktive Ableitung auch
hier eine dogmatisch-systematische Darstellung (11,17/18) folgt und
dieser sich dann die konkrete Anwendung anschließt. In 1,15 folgten
auf die <forma honestb bestimmte Arten der Pflichten, hier (11,19)
werden im folgenden die <rationes> aufgezeigt, mit denen man die
<studia> der Menschen gewinnt. Ob man auch hier, wie bei 1,16 und
1,100 (vgl. S. 24 u. 52/3), von deduktiver Ableitung dieser <rationes>
sprechen kann, ist nicht ganz sicher; doch gehen die in § 21 ein-
setzenden Einzelerörterungen von dem in 11,18 aufgestellten System
aus.
Die Einführung des <decorum>
Neben diesen breiten Einführungen des <honestum> am Anfang
des ersten und des <utile> am Anfang des zweiten Buches finden wir
überraschenderweise noch eine weitere größere Einführung innerhalb
des 1. Buches. Die Behandlung der 4. Kardinaltugend wird breit
(1,93-99) eröffnet.
Die im 1. Buch vorangegangenen Darlegungen über die drei
anderen Kardinaltugenden hatten jeweils nur einen oder zwei vor-
bereitende allgemeine Sätze: 1,18; 20; 6113. Deshalb muß die größere
13 Gred Ibscher, Der Begriff des Sittlichen in der Pflichtenlehre des Panaitios,
Diss. München (1934), weist (S. 90) mit Recht darauf hin, daß bei der Einleitung
des άνδρεία-Abschnittes wie bei der Ableitung des σωφροσύνη-Pflichtgedankens
(sprich <decorum>) ein induktives Verfahren eingeschlagen wird. Die Beobach-
tungen an 1,61 sind richtig; doch liegen die Unterschiede zur Einführung des