IV
Die Bedeutung des πρέπον bei Panaitios
Das πρέπον (<decorum>) tritt, wie wir bei der Besprechung der
§§ 96 und 98 (vgl. S. 35ff.) sahen, bei allen Tugenden in Erscheinung1
und entwickelt sich zu einem Rivalen des καλόν (<honestum>) (vgl.
S. 42). Dieses besondere Wesen des πρέπον war schon 1,14 (vgl. S. 23)
durch die paradoxe Formulierung und Verwendung des Zitates aus
Platos Phaidros vorweg angedeutet worden. Weiter war die größere
Ausführlichkeit der Darlegungen, die dem πρέπον gewidmet sind,
im Vergleich zu den Sätzen auffallend, die den anderen Tugenden
gewidmet sind. Daß Panaitios dem πρέπον eine besondere Rolle
gegeben hatte, ersahen wir weiter daraus, daß der vierten Kardinal-
tugend oder besser gesagt dem πρέπον im Gegensatz zu den anderen
drei Kardinaltugenden eine ausführliche Einleitung (§§ 93-99) ge-
widmet ist, die in dieser Ausführlichkeit, aber auch in der Methode
den Einführungen der beiden umfassenden Begriffe καλόν (<honestum>)
und συμφέρον (<utile>) gleichkommt.
Aus diesen Beobachtungen erwächst die Frage, ob bei Panaitios das
πρέπον nicht auch inhaltlich gleichen Ranges mit dem καλόν und
dem συμφέρον ist und mit diesen Oberbegriffen in einem besonderen
Verhältnis steht.
Das kann man zeigen:
L. Labowsky2 hat darauf hingewiesen, daß die Gedanken bei der
Einführung des <decorum> ihr Ziel in der <approbatio> haben (§98:
<... sic hoc decorum, quod elucet in vita, movet approbationem
eorum, quibuscum vivitur, ordine et Constantia et moderatione
dictorum omnium atque factorum>). Das In-Erscheinung-Treten des
<decorum> ruft also die <approbatio>, die Zustimmung, Billigung,
Anerkennung des Handelnden durch die Mitmenschen hervor. Hier
ist ein Übergang zum <utile>. Panaitios hat (II, 16)noch ausführlicher
als Cicero über die Notwendigkeit gehandelt, die <studia> der Men-
1 Zum Sichtbarwerden des πρέπον vgl. Μ. Pohlenz, τό πρέπον, S. 83.
2 Der Begriff des πρέπον, S. 13.
Die Bedeutung des πρέπον bei Panaitios
Das πρέπον (<decorum>) tritt, wie wir bei der Besprechung der
§§ 96 und 98 (vgl. S. 35ff.) sahen, bei allen Tugenden in Erscheinung1
und entwickelt sich zu einem Rivalen des καλόν (<honestum>) (vgl.
S. 42). Dieses besondere Wesen des πρέπον war schon 1,14 (vgl. S. 23)
durch die paradoxe Formulierung und Verwendung des Zitates aus
Platos Phaidros vorweg angedeutet worden. Weiter war die größere
Ausführlichkeit der Darlegungen, die dem πρέπον gewidmet sind,
im Vergleich zu den Sätzen auffallend, die den anderen Tugenden
gewidmet sind. Daß Panaitios dem πρέπον eine besondere Rolle
gegeben hatte, ersahen wir weiter daraus, daß der vierten Kardinal-
tugend oder besser gesagt dem πρέπον im Gegensatz zu den anderen
drei Kardinaltugenden eine ausführliche Einleitung (§§ 93-99) ge-
widmet ist, die in dieser Ausführlichkeit, aber auch in der Methode
den Einführungen der beiden umfassenden Begriffe καλόν (<honestum>)
und συμφέρον (<utile>) gleichkommt.
Aus diesen Beobachtungen erwächst die Frage, ob bei Panaitios das
πρέπον nicht auch inhaltlich gleichen Ranges mit dem καλόν und
dem συμφέρον ist und mit diesen Oberbegriffen in einem besonderen
Verhältnis steht.
Das kann man zeigen:
L. Labowsky2 hat darauf hingewiesen, daß die Gedanken bei der
Einführung des <decorum> ihr Ziel in der <approbatio> haben (§98:
<... sic hoc decorum, quod elucet in vita, movet approbationem
eorum, quibuscum vivitur, ordine et Constantia et moderatione
dictorum omnium atque factorum>). Das In-Erscheinung-Treten des
<decorum> ruft also die <approbatio>, die Zustimmung, Billigung,
Anerkennung des Handelnden durch die Mitmenschen hervor. Hier
ist ein Übergang zum <utile>. Panaitios hat (II, 16)noch ausführlicher
als Cicero über die Notwendigkeit gehandelt, die <studia> der Men-
1 Zum Sichtbarwerden des πρέπον vgl. Μ. Pohlenz, τό πρέπον, S. 83.
2 Der Begriff des πρέπον, S. 13.