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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1975, 1. Abhandlung): Das Problem der Adelphen des Terenz: vorgetragen am 30. November 1974 — Heidelberg: Winter, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.45457#0017
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Das Problem der Adelphen des Terenz

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Daß Micio die Konsequenz seiner Menschenfreundlichkeit so weit
treibt, daß er die alte Dame heiratet und mehr oder weniger lächerlichen
Konzessionen zustimmt, muß Demea natürlich als Triumph empfinden,
wobei ihm Micios Heirat insofern eine ganz besondere Genugtuung ver-
schafft, als er ihn immer um seine Ehelosigkeit beneidet hat. Vergleicht
er doch voll Neid das sorglose Leben seines Bruders mit dem eigenen
Elend und erwähnt dort auch seine Ehe:
duxi uxorem. quam ibi miseriam vidi! (867)
Daß Aeschinus die Aufnahme der Schwiegermutter in die Hausge-
meinschaft so lebhaft unterstützt, hängt übrigens auch mit einem Um-
stand zusammen, der in der bisherigen Diskussion nicht zur Sprache ge-
kommen ist, nämlich mit dem Verhältnis zur Schwiegermutter, das bei
uns anders beurteilt wird als im antiken und z.T. auch noch im heutigen
Griechenland. Daß er sie, die sonst allein stehen würde, ins Haus neh-
men will, geht deutschem Empfinden schwerer ein als griechischem:
In Griechenland gehört die Schwiegermutter heute noch zur Groß-
familie und bei der Hochzeit — z.B. in mazedonischen Hochzeitsliedern —
wird sie als Königin gepriesen: KE&spa ßaalXtsaa. Das harmonische Ver-
hältnis zur Schwiegermutter wird bewußt gepflegt, weil dadurch die Ver-
bindung zweier Familien, die durch die Heirat der beiden jungen Leute
hergestellt wird, erst vollkommen wird. Ob Micio sie nun ins Haus nimmt
oder auch noch heiratet, machte vermutlich für Menander keinen so
großen Unterschied wie für uns oder selbst für Terenz8.
Demeas Schadenfreude vermag seine Niederlage jedoch nicht aufzu-
heben. Es ist für ihn nur eine kleine Entschädigung. Muß er doch dem
Micio in dem Hauptpunkt recht geben, daß man mit Toleranz im Leben
weiterkommt als mit Prinzipienstrenge. Das Verhalten des Micio feiert
eben darin den höchsten Triumph, daß Demea versucht, das gleiche zu
tun. Donat hat das trefflich formuliert: „adeo favet Terentius clemen-
tioribus ac mitissimis patribus, ut hunc quoque adducat ad sententiam
Micionis, non tarnen hoc sentientem quod ita fieri oporteat, sed quod
res cogat.“

8 Ribbeck, Geschichte der römischen Dichtung I, 21894, 153, der die Heirat eben-
falls etwas anstößig findet, räumt immerhin ein, daß man der achtenswerten Ma-
trone Sostrata — der Engländer Norwood nennt sie ‘a wonderful woman’ — zu-
trauen könne, daß sie den alten Micio treu pflegen und für die verlorene Freiheit
entschädigen werde.
 
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