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Viktor Pöschl
Die beiden Brüder kommen sich also am Schluß näher, es zeichnet sich
so etwas wie ein versöhnliches Ende ab. Allerdings gehen beide Dichter
in der Versöhnung nicht so weit, wie von Einsiedel in seiner Weimarer
Terenzübersetzung. Dort spricht Aeschinus am Schluß zu Demea die
Worte:
„Aeschinus: leiht uns
die Hand, seid unser Führer — darf ich auch
ein Wort für meinen Bruder sprechen? Was wird
aus ihm und seiner Liebe ?
Ctesopho tritt näher.
Demea: Wenn ein Wunsch
ihm genügt und fesselt, so steht es gut mit ihm,
laßt das Mädchen frei, sie wird sein Weib
und wohnt bei ihm.
Micio: Das war ein mildes Wort,
es ging von Herzen — ja, nun trau ich dir.
Du wirst ein andrer Mann — du bist es schon.
Wir streiten uns nicht mehr, wir bleiben Brüder.“
Hier kommt es also sogar zu einer regelrechten Heirat mit dem Bordell-
mädchen. Von dem lustigen Zurückfallen des Demea in seine brummige
Art ist nichts geblieben, nichts von der feinen Ironie, die in dem „du
weißt besser, was man zu tun hat“ des Aeschinus und in dem istuc
recte des Micio liegt. Alles atmet den bürgerlichen Geist Weimars, den
Geist der Humanität der Goethezeit. Demea hat sich wirklich gewandelt.
Das Stück endet in eitel Harmonie, einem happy end, in dem die Komik
der Gegensätze zwischen den beiden Brüdern völlig aufgehoben wird.
Der Ansatz zur Versöhnung aber war, wie gesagt, schon bei Terenz
und Menander gegeben. Hofmannsthal hat in einem Gespräch, das er
mit Carl Jakob Burckhardt in Paris führte gesagt: „Komödie ist
Lebenskunst im tiefsten Sinn.“ Lebenskunst zeigen also nicht nur Micio
und schließlich auch Demea, der von seinem Bruder lernen möchte, son-
dern auch die Dichter, die das Geschehen zu diesem versöhnlichen
Schluß lenken, eine Lebenskunst, die nicht nur aus dem Verstand,
sondern aus dem Herzen kommt.
Aber dadurch wird das Gewicht nicht einseitig zuungunsten Micios
verschoben, es wird nur gezeigt, daß auch die Gutherzigkeit ihre Ge-
fahren und auch Micio seine Schwächen hat. Die These des Stückes wird
dadurch nur um so wirksamer, als auch er nicht vollkommen ist, und
Viktor Pöschl
Die beiden Brüder kommen sich also am Schluß näher, es zeichnet sich
so etwas wie ein versöhnliches Ende ab. Allerdings gehen beide Dichter
in der Versöhnung nicht so weit, wie von Einsiedel in seiner Weimarer
Terenzübersetzung. Dort spricht Aeschinus am Schluß zu Demea die
Worte:
„Aeschinus: leiht uns
die Hand, seid unser Führer — darf ich auch
ein Wort für meinen Bruder sprechen? Was wird
aus ihm und seiner Liebe ?
Ctesopho tritt näher.
Demea: Wenn ein Wunsch
ihm genügt und fesselt, so steht es gut mit ihm,
laßt das Mädchen frei, sie wird sein Weib
und wohnt bei ihm.
Micio: Das war ein mildes Wort,
es ging von Herzen — ja, nun trau ich dir.
Du wirst ein andrer Mann — du bist es schon.
Wir streiten uns nicht mehr, wir bleiben Brüder.“
Hier kommt es also sogar zu einer regelrechten Heirat mit dem Bordell-
mädchen. Von dem lustigen Zurückfallen des Demea in seine brummige
Art ist nichts geblieben, nichts von der feinen Ironie, die in dem „du
weißt besser, was man zu tun hat“ des Aeschinus und in dem istuc
recte des Micio liegt. Alles atmet den bürgerlichen Geist Weimars, den
Geist der Humanität der Goethezeit. Demea hat sich wirklich gewandelt.
Das Stück endet in eitel Harmonie, einem happy end, in dem die Komik
der Gegensätze zwischen den beiden Brüdern völlig aufgehoben wird.
Der Ansatz zur Versöhnung aber war, wie gesagt, schon bei Terenz
und Menander gegeben. Hofmannsthal hat in einem Gespräch, das er
mit Carl Jakob Burckhardt in Paris führte gesagt: „Komödie ist
Lebenskunst im tiefsten Sinn.“ Lebenskunst zeigen also nicht nur Micio
und schließlich auch Demea, der von seinem Bruder lernen möchte, son-
dern auch die Dichter, die das Geschehen zu diesem versöhnlichen
Schluß lenken, eine Lebenskunst, die nicht nur aus dem Verstand,
sondern aus dem Herzen kommt.
Aber dadurch wird das Gewicht nicht einseitig zuungunsten Micios
verschoben, es wird nur gezeigt, daß auch die Gutherzigkeit ihre Ge-
fahren und auch Micio seine Schwächen hat. Die These des Stückes wird
dadurch nur um so wirksamer, als auch er nicht vollkommen ist, und