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Hölscher, Uvo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1976, 3. Abhandlung): Der Sinn von Sein in der älteren griechischen Philosophie: vorgetragen am 6. Februar 1971 — Heidelberg: Winter, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.45460#0045
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XI
Es sind schließlich die Konsequenzen für Parmenides zu ziehen. Man wird
sich aller Begriffe enthalten müssen, die selbst bei Aristoteles noch nicht
als solche gefaßt sind, des Begriffs der Kopula, und der Existenz. In zweiter
Linie aber auch solcher Auffassungen, die erst von Aristoteles — oder von
Platon — errungen worden sind, als ihre «Entdeckungen». Dazu gehört bei
Aristoteles die Entdeckung des υποκείμενον — logisch gesprochen, die Er-
kenntnis der ουσία als eines τι κατα τίνος. Wir haben die umgekehrte An-
strengung des Denkens zu vollziehen, die aristotelische Denkanstrengung
rückgängig zu machen und statt der «Zwiefältigkeit» des kategorialen
Seins das Einfache zu denken. Wir haben den Seinsbegriff aus seiner ein-
seitigen Beziehung auf die ουσία zu lösen und ihn mit Platon dem Prädikats-
begriff zuzuordnen. Wir haben uns auch von Platons Lösung noch zu lösen,
die er in der «symploke» der Formen gefunden hat, als seine Antwort auf
das Problem der «Spätlerner», und uns auf deren Standpunkt zurück-
zustellen. Das heißt: uns auf eine Denkweise einzulassen, für die es auch
die Verbindung von verschiedenen Seienden miteinander noch nicht gab.
Was die «Spätlerner» behaupteten, war präzis das, was ich das einfache
Sein genannt habe, aber nun paradox dogmatisiert, nämlich mitgeschleppt
in eine bereits reifere Bewußtseinslage, in der jenes archaische Seinsver-
ständnis als verspätet empfunden wurde. Es handelte sich nicht um Tauto-
logien von der Form ein Mensch ist ein Mensch, sondern ganz eigentlich
um Aussagen von der Form es ist ein Mensch, wie Platons Beispiele zeigen
(251 b 1). Wenn danach die Aussage der Mensch ist gut nicht zugelassen
wurde — sondern höchstens: das Gute am Menschen ist gut — dann ist das
prinzipiell nichts anderes als die parmenideische Denkweise: daß eines
nicht ein anderes sein kann, sondern immer nur Eines und dasselbe.
Ich trenne mich also in diesem Punkt von Charles Kahns Parmenides-Deutung
(The Thesis of Parmenides, in: The Review of Metaphysics XXI Nr. 4, 1969), indem
ich glaube, daß wir auch hinter das «veritative» Sein, als So-sein oder der Fall sein —
sofern dies immer noch die Prädikation von einem Subjekt impliziert — noch zurück-
zudenken haben. Desgleichen habe ich einen anderen Weg einschlagen müssen als
Ernst Heitsch (Gegenwart und Evidenz bei Parmenides, Mainzer Akad. der Wiss.
u. Lit. 1970, vgl. Hermes 1974, S. 411 ff.: Evidenz und Wahrscheinlichkeitsaussagen
bei Parmenides). — Auf den Begriff der Existenz, des «absolut Vorhandenen», sucht
J. Klowski die parmenideische Konzeption des Seins neu zu begründen (Zum Ent-
stehen der Begriffe Sein und Nichts und der Weltentstehungs- und Weltschöpfungs-
theorien im strengen Sinne, Archiv f. Gesch. d. Phil. 49, 1967, Teil I und II, bes.
S. 226 und 249 ff.l.
Ausgegangen war Parmenides von dem Satz: «daß es ist», όπως έστιν.
Mit Recht hat Calogero das ist dieses Satzes als das der Prädikation ver-
standen. Aber er war voreilig, dies prädikative ist mit seiner kopulativen
Funktion gleichzusetzen, in der es sich der modernen Logik allein darstellt.
 
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