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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 2. Abhandlung): Bocksbeutel und Aryballos: philologischer Beitrag zur Urgeschichte einer Gefäßform ; vorgetr. am 9. Juli 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45468#0012
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Hildebrecht Hommel

Jugend hat er auf einer 1768 entstandenen Radierung, einem Firmen-
schildentwurf für den Leipziger Gastwirt Christian Gottlieb Schön-
kopf (den Vater seines Kätchens), einen respektablen Bocksbeutel ange-
bracht (Abb. I)13. Und in seinen letzten Jahren hat er seinen Keller
vorzugsweise mit Escherndorfer Frankenwein ausgestattet, der viel-
leicht auch in der heute noch üblichen Form bei ihm seinen Einzug hielt.
Verschämte Deuter des Namens dieser Flasche dachten übrigens
gelegentlich auch an <Buchsbeutel> aus Buchsbaumholz als Ursprung,
wie sich denn in der Tat in einem aus dem 6. Jahrhundert stammenden
fränkischen Grab eine Holzflasche in annähernder Bocksbeutelform
gefunden hat14, aber eben nicht aus dieser Holzart. Auch die da und
dort belegte Schreibung des Namens mit x dürfte der gleichen Tendenz
entstammen, die den wahren Sachverhalt keusch zu verdecken bestrebt
ist15.
Dieser wahre Sachverhalt, das halten wir fest, führt wohl eindeutig
in die natürliche Sphäre des wichtigen Körperteiles eines dem Menschen
seit alters vertrauten nützlichen Haustieres. Unter diesem hat man
bisher allgemein den Ziegenbock verstanden16, wofür die in Franken
heute noch viel zitierte lateinische Übersetzung des ehemaligen Würz-
burger Professors und Romanciers Felix Dahn «capri saculus» wie die
nüchternere Jacob Grimms «scrotum capri» als Beleg dienen mag17.
In der Deutung auf den Ziegenbock fand man sich dadurch bestärkt,
daß man das symbolträchtige Wesen unbesehen mit dem Begleiter des
griechischen Weingottes identifizierte18, dem Tpayoc, von dem ja auch
13 Kittel, Abb. auf S. 34, ebenso Jung, S. 107 mit Abb. auf S. 106.
14 Jung 34 f. mit Abb. 34 (Römisch-Germanisches Museum Köln).
15 Kittel 37.
16 Siehe z. B. Kittel 34 u. 37, der sich mit spürbarem Behagen der Deutung von
Felix Dahn anvertraut. Ähnlich Jung 36 ff.; H. Zeuner, <Würzburg> (1939), S. 12
mit einer entsprechenden Holzschnittillustration von R. Rother.
17 Jung 36. Die von Felix Dahn gewählte Bezeichnung saculus greift insofern
daneben, als saccus und sacculus im Lateinischen sich niemals auf den
Hodensack bezieht, sondern auf den Bereich der Textilien beschränkt bleibt.
Siehe Walde-Hofmann, Lateinisches etymologisches Wörterbuch 3II 1954, S. 458 f.
— Die (was das erste Wort anlangt, korrekte) lateinische Wiedergabe von J.
Grimm findet sich im Deutschen Wörterbuch, Bd. 2 1860, S. 206. Grimm kennt
übrigens die Bocksbeutelform nur für ein «kleines Trinkfläschchen, das man in
die Tasche steckt» (!), wie er denn seine diesbezüglichen Ausführungen unter dem
Stichwort <Bocksbeutelchen> bringt. Dies ist für unsere Gedankengänge im fol-
genden nicht ohne Bedeutung.
18 Jung 37 f.
 
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