Bocksbeutel und Aryballos
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bei den Lederbeuteln noch bei den Kugelaryballoi um Schöpfgefäße
handelt. Aber was dann?
Hans Krähe, der vom Semasiologischen — also von der Bedeutung —
her von der Gleichung ctQu-ßaXXog = <Bocksbeutel> überzeugt war,
glaubte einst im Stadium seines Panillyrismus, den ja damals ebenso
andere Forscher geteilt haben, für dpv- — <Bock> nicht ohne Rückgriff
aufs Illyrische auskommen zu können; d. h. er wollte60 ein dem latei-
nischen ari-es entsprechendes illyrisches *ari- für Bock oder Widder
voraussetzen, das nach der Übernahme ins Griechische im Sinne jener
Volksetymologie, die sich ja schon bei Aristophanes findet, im Anklang
an a^vEiv <ausschöpfen> zu ciqu- umgestaltet worden wäre, also seinen
u-Laut sozusagen illegitim erhalten hätte.
Aber Krahe’s Tübinger Nachfolger Antonio Tovar hat mir vor
kurzem einen, wie mir scheint, überzeugenderen Weg gewiesen61,
indem er mich auf Existenz und Bedeutung des sogenannten «sakralen
u» aufmerksam machte, wovon gleich zu reden sein wird. Danach
ergaben sich mir zwei Möglichkeiten der Erklärung von ciqv- (das ja —
wir betonen es nochmals — ursprünglich und noch in klassischer Zeit
aru- gesprochen wurde). Die erste kann ich kurz abmachen, da sie
schon rein semasiologisch nicht befriedigt. Ich dachte da ursprünglich
an die Herkunft von griechisch ctQiqv (ursprünglich FaQY]v), Gen. aQvög,
dem bereits aus Homer bekannten Wort für <Schaf> und <Lamm>, dem
kürzlich P. Chantraine eine kleine Monographie gewidmet hat62. Dort
wird besonderer Nachdruck darauf gelegt, daß das Wort — ähnlich
wie ßovg neben Taupo; — nicht das männliche Tier, sondern Schaf oder
Lamm ohne Rücksicht auf das Geschlecht bezeichnet, wie es denn ver-
mutlich zu elpog > eqFo; > (?) FeqFo<; <Wolle> gehört, also als <Woll-
träger> schlechthin übersetzt werden dürfte. Ebenso betont der fran-
zösische Gelehrte mit Recht, daß nach neueren Erkenntnissen dieses
Etymon aQY]v, apvo? trotz der verführerischen Klangähnlichkeit zu
trennen sei von dem ebenfalls seit Homer belegbaren Wort agvEto?, das
kein F am Anfang besaß, und das nun tatsächlich den Widder, d. h. den
Schafbock bezeichnet63, so daß in unserem Fall das Augenmerk sich
hierauf allein zu richten hat.
60 Mit Brief vom 9. 5. 1939.
61 Mündlich und schriftlich seit 4. 1. 1973.
62 P. Chantraine, Les noms de l’agneau en grec: ... In: Corolla Linguistica. Fest-
schrift Ferd. Sommer 1955, S. 12 ff.
63 Chantraine a. O. 1710, wo auf Meillet, Indogerman. Forschungen 5. 1896, S. 328 ff.
verwiesen wird. Meillets Ergebnisse sind heute weithin anerkannt, aber auch
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bei den Lederbeuteln noch bei den Kugelaryballoi um Schöpfgefäße
handelt. Aber was dann?
Hans Krähe, der vom Semasiologischen — also von der Bedeutung —
her von der Gleichung ctQu-ßaXXog = <Bocksbeutel> überzeugt war,
glaubte einst im Stadium seines Panillyrismus, den ja damals ebenso
andere Forscher geteilt haben, für dpv- — <Bock> nicht ohne Rückgriff
aufs Illyrische auskommen zu können; d. h. er wollte60 ein dem latei-
nischen ari-es entsprechendes illyrisches *ari- für Bock oder Widder
voraussetzen, das nach der Übernahme ins Griechische im Sinne jener
Volksetymologie, die sich ja schon bei Aristophanes findet, im Anklang
an a^vEiv <ausschöpfen> zu ciqu- umgestaltet worden wäre, also seinen
u-Laut sozusagen illegitim erhalten hätte.
Aber Krahe’s Tübinger Nachfolger Antonio Tovar hat mir vor
kurzem einen, wie mir scheint, überzeugenderen Weg gewiesen61,
indem er mich auf Existenz und Bedeutung des sogenannten «sakralen
u» aufmerksam machte, wovon gleich zu reden sein wird. Danach
ergaben sich mir zwei Möglichkeiten der Erklärung von ciqv- (das ja —
wir betonen es nochmals — ursprünglich und noch in klassischer Zeit
aru- gesprochen wurde). Die erste kann ich kurz abmachen, da sie
schon rein semasiologisch nicht befriedigt. Ich dachte da ursprünglich
an die Herkunft von griechisch ctQiqv (ursprünglich FaQY]v), Gen. aQvög,
dem bereits aus Homer bekannten Wort für <Schaf> und <Lamm>, dem
kürzlich P. Chantraine eine kleine Monographie gewidmet hat62. Dort
wird besonderer Nachdruck darauf gelegt, daß das Wort — ähnlich
wie ßovg neben Taupo; — nicht das männliche Tier, sondern Schaf oder
Lamm ohne Rücksicht auf das Geschlecht bezeichnet, wie es denn ver-
mutlich zu elpog > eqFo; > (?) FeqFo<; <Wolle> gehört, also als <Woll-
träger> schlechthin übersetzt werden dürfte. Ebenso betont der fran-
zösische Gelehrte mit Recht, daß nach neueren Erkenntnissen dieses
Etymon aQY]v, apvo? trotz der verführerischen Klangähnlichkeit zu
trennen sei von dem ebenfalls seit Homer belegbaren Wort agvEto?, das
kein F am Anfang besaß, und das nun tatsächlich den Widder, d. h. den
Schafbock bezeichnet63, so daß in unserem Fall das Augenmerk sich
hierauf allein zu richten hat.
60 Mit Brief vom 9. 5. 1939.
61 Mündlich und schriftlich seit 4. 1. 1973.
62 P. Chantraine, Les noms de l’agneau en grec: ... In: Corolla Linguistica. Fest-
schrift Ferd. Sommer 1955, S. 12 ff.
63 Chantraine a. O. 1710, wo auf Meillet, Indogerman. Forschungen 5. 1896, S. 328 ff.
verwiesen wird. Meillets Ergebnisse sind heute weithin anerkannt, aber auch