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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 2. Abhandlung): Bocksbeutel und Aryballos: philologischer Beitrag zur Urgeschichte einer Gefäßform ; vorgetr. am 9. Juli 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45468#0027
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Bocksbeutel und Aryballo:

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Ausfall des a nach o auch vor Vokal nicht ungewöhnlich ist; zu ver-
weisen wäre da etwa auf den Aorist raupa aus ::'muoaa69.
Im Blick auf dpv- (in dpv-ßaXXog) gegenüber äpa-r|v bin ich geneigt,
ein sonst verschwundenes *ap(a)vg bzw. "'äo'uq <männlich> zu postu-
lieren70, womit das genaue, auch formal entsprechende Pendant zu
üfjXvg, dem Wort für <weiblich>, gewonnen wäre. Auch die Grundbe-
69 Siehe Kiihner-Blass I 282 f., vgl. 257 unt. Dabei wird dann freilich in der Regel
der vorangehende Vokal gedehnt, so daß in unserem Fall ein dpu- mit langem a
anzunehmen wäre. Wenn der apvßa?Aog bei Aristophanes Ri. 1094 kurzes a auf-
weist, so mag die ja von ihm selber bemühte falsche Etymologie (zu dpuetv
«schöpfen») eingewirkt haben.
70 Die Möglichkeit einer weiteren Etymologie, die sich hieraus ergibt, sei kurz mit
allem Vorbehalt erörtert. Hesych erklärt uns das sonst unbelegte Wort dpua als
ra 'ElpaxZ.eco'tixd xapua, also <Haselnüsse> (noch heute ist die Südküste des
Schwarzen Meeres bevorzugtes Anbaugebiet dieser Frucht). Chantraine 1118 hält
die Zugehörigkeit von äpvov zu xapvov <Nuß> für evident und denkt danach
bei dem letztgenannten Wort an ein x-Präfix (er vergleicht xourpog und aper
sowie xvecpac; und vecpoo — Hypothesen von Meillet, die Ch. sonst mit Zurück-
haltung betrachtet, s. die betreffenden Artikel seines Lexikons); es könnte bei der
Form mit x natürlich auch irgend eine Volksetymologie im Spiele sein. Das genau
gleiche Bedeutungsfeld muß im Blick auf unsere bisherigen Beobachtungen zu
apv- jedenfalls zu denken geben. Dazu kommt, daß nicht nur das Deminutiv
xapvötov speziell die «Haselnuß* bedeutet, sondern die davon abgeleiteten Etyma
xcxpuöoco und xapvöcoatg <kastrieren> und <Kastration> (das Verb wird von Ch.
zögernd erklärt als aus Ex-xapuöoco «ich entkerne . . .> entstanden). Die Kom-
bination mit unseren oben im Text angestellten Erwägungen ergäbe dann, daß
äpua ursprünglich die <männlichen (Merkmale)>, nämlich die «Hoden* bezeichnet
hätte (zu beachten, daß bei Hesych die Pluralform steht) und erst sekundär auf
die «Nuß* bzw. <Haselnuß> übertragen worden wäre. Das brauchte keineswegs
zu verwundern, wenn man sich die morphologische Ähnlichkeit der vergrößerten
Haselnußkerne mit den Hoden vergegenwärtigt (s. Abb. 14); die Parallele —
ebenfalls aus dem Pflanzenreich — op/eic; «Hoden* und <Orchideen> ist ja ganz
geläufig. Bemerkenswert sind auch Anspielungen, die der Volksglaube parat hält
(z. B. die Behauptung, daß in einem guten Nußjahr mehr Buben als Mädchen
geboren werden, u. ä.). Zu all dem vgl. Heinr. Marzell, Artikel «Hasel* im
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III 1930/31, Sp. 1527—1542, hier
Sp. 1534 ff. («Die Haselnuß als Fruchtbarkeitssymbol*) mit einer Fülle von Bei-
spielen. Die beiden Entwicklungsreihen würden also etwa so aussehen:

a)
* dpvq
<Männchen> —
apu-ßaXXog
«Tiermännchen-Geschlechtsteil*
bzw. Schafbocks-Hodensack
äp-vstoc;
— «Schafbock;
b)
* «pvg
«männlich* —
*dpv-ov
«männl. Geschlechtsteil*
dpv-ov
— «Haselnuß*

(Hoden)
 
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