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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 2. Abhandlung): Bocksbeutel und Aryballos: philologischer Beitrag zur Urgeschichte einer Gefäßform ; vorgetr. am 9. Juli 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45468#0030
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Hildebrecht Hommel

dringende <wunderbar>. Wilhelm Busch hat ähnlich empfunden,
wenn er den Seelenschmerz einer seiner weiblichen Gestalten über ihr
von den ungezogenen Hunden zerstörtes Blumenbeet so beschreibt:
Mit dem Seufzerhauche: U!
Stößt ihr eine Ohnmacht zu79.
Vielleicht dürfen wir auch die Verwendung von griechisch otcov und
deutsch <Hund> (verstärkt dummer Hund>, <krummer Hund>,
<Lumpenhund>, <Sauhund>, <Bluthund> und dgl.) als Schimpfwörter
heranziehen, wozu doch das treue Haustier an sich von seinem Wesen
her keine besondere Veranlassung bietet80. Canis hat im Lateinischen
79 W. Busch, Plisch und Plum, S. 28 — freundlicher Hinweis von Rudi Paret. —
C. Zuckmayer, Salwäre . . . Roman 1936 u. ö. (Goldmanns Gelbe Taschenbücher
2949, S. 104) bemüht «ein flüsterndes stöhnend langgezogenes: <Du — !>, dessen
U-Laut mich (d. h. die männliche Hauptfigur des Romans) seltsam beschwichtigte
und bezwang».
80 Man pflegt i. a. eine solche exzeptionelle Abwertung des Hundes auf seine ja bei
Homer mehrfach bezeugte Rolle als Leichenfresser zurückzuführen (über die
Lemures in diesem Zusammenhang vgl. Hävers a. O. 156). Das kann aber für
den xücov nicht recht überzeugen, zumal bei Homer neben ihm in der gleichen
Rolle auch die Vögel erscheinen, ohne deswegen mit ihrem Namen als Schimpf-
wort herhalten zu müssen (z. B. Homer, 11. 1, 4/5). Übrigens ist Hund und
Hündin das einzige von Homer verwendete Tierschimpfwort. Jene Auffassung
von der Nachwirkung des leichenfressenden Hundes im angedeuteten Sinn haben
vertreten, ohne die freundlichen Züge des Hundes bei Homer wie bei den
Indogermanen überhaupt ignorieren zu können, B. Schlerath, Der Hund bei
den Indogermanen. In: Paideuma 6. 1954/58, 25 ff., hier bes. 32ff. (vgl. a. schon
Orth RE VIII 1913, 2544. 2567ff. im Art. <Hund>). — W, Richter, Die Landwirt-
schaft im homerischen Zeitalter 1968, S. 80 m. Anm. 574. — M. Faust, Idg. Forschgn.
74, 1969, S. 109 ff.; derselbe, Glotta 48. 1970, 25 ff. (vgl. a. H. Birkhan a. O.
352 ff.). Jetzt erschöpfend und vorsichtig abwägend über die <ambiguity> des
Hundes in der hellenischen Antike: S. Lilja, Dogs in Ancient Greek Poetry 1976,
S. 21 ff., 126 ff. — Man pflegt mich in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen,
daß auch in anderen Sprachen, in denen die Bezeichnung für <Hund> keinen u-Laut
aufweist (z. B. im Arabischen), dieses Tier für Schimpfnamen herhalten muß.
Ich bin natürlich fern davon, jedes <u> als <emotional> o. ä. erklären zu wollen;
aber die oben angeführten, z. T. sinnlosen Erweiterungen wie <Lumpenhund> u.
dgl. basieren doch zweifellos auf einem solchen <u>. In anderen Fällen wird eine
auch sachlich vertretbare Bezeichnung um des U-Lauts willen begierig als Schimpf-
wort aufgegriffen, wie z. B. Mummes Huhn>. Übrigens ist festzustellen, daß die
den Menschen vertrauten Haustiere durchwegs als Schimpfnamen gegenüber etwa
den wilden Tieren bevorzugt werden (z. B. Hund, Schaf, Ziege, Esel, Ochs,
Kamel — am wenigsten die erst spät gezähmten wie Pferd und Katze — vgl.
allenfalls <Roß>). Hier distanziert sich offenbar der menschliche Hochmut von
seinen ihm unterworfenen Hausgenossen. Vgl. auch den Nachtrag unten S. 42.
 
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