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Kullmann, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1979, 2. Abhandlung): Die Teleologie in der aristotelischen Biologie: Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker. Vorgelegt von Werner Beierwaltes am 21. Oktober 1978 — Heidelberg: Winter, 1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.45473#0018
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2. Die Art der teleologischen Erklärungen in der
aristotelischen Zoologie
Die Hauptmasse teleologischer Aussagen findet sich in der Schrift
De partibus animalium, d. h. in den Büchern II-IV dieser Schrift, da
das erste Buch eine allgemeine Einleitung in die zoologischen Schriften
darstellt. Wesentliches Anliegen dieser Abhandlung ist es, die Funktion
der einzelnen ,,Teile“, d.h. der einzelnen Gewebearten (opotopspfj) und
Organe (dvopotopsprj, opyavnca), aus denen sich der Körper eines Lebe-
wesens aufbaut, anzugeben. Darüber hinaus wird vielfach auch der
Zweck einer bestimmten Anordnung oder Lage eines Organs genannt
(ra^u;, Oeaiq) oder der Sinn einer besonderen, graduellen Abweichung
der Organform vom Üblichen aufgrund von Übermaß und Mangel
(ÖKSQOxrj Kai äXXEiyei). Zur Bezeichnung dieser Funktion benutzt Ari-
stoteles meist die Wendung „um-willen“ (evekü oder yaptv c. gen.),
er kann aber auch ein kausales „wegen“ (Stet c. acc.) oder einen „damit“-
Satz (ÖTTCocg) verwenden. So sind die Knochen um des Fleisches willen,
d.h. um dieses zu schützen bzw. zu stützen (653 b 30ff., 654b27ff.),
die Adern sind um des Blutes willen (667 b 17f.), die Leber um der
Kochung, d.h. der Verdauung der Nahrung willen (670 a 27), die Blase
zur Aufnahme der von der Natur (Physis) nicht gebrauchten Über-
schüsse (670 b 33ff.), die Beine sind zur Fortbewegung nützlich (xqt|-
cnpa, 687 b 28ff.), die Flügel sind zum Fliegen da (694 a Iff.), Nägel,
Krallen, Hufe, Hörner und Schnäbel zum Schutz und zur Lebenserhal-
tung (ßopOsiaq yaptv bzw. tcqöq cycorriQtav, 655 b 4 ff., 662 b lff., b 27ff.),
die Lebendgebärenden haben eine größere Lunge wegen der Wärme
ihrer Natur (Stet rpv 0EQpörr|Ta rrjg cpüoECDg, 669 a 25f.)24.
Wenn man diese Erklärungen genauer verfolgt, sieht man, daß alle
Körperteile und Organe schließlich um einiger Grundfunktionen der
Lebewesen willen existieren, die selbst nicht mehr auseinander ableitbar
sind, sondern zusammengenommen deren Wesen ausmachen und mit
dem Begriff der Seele bezeichnet werden25. Es sind dies vor allem die
vegetative Funktion (Oqsutikt] Suvaptg), die sich in der Nahrungsauf-
nahme und im Wachstum offenbart und den Lebewesen mit den Pflanzen
gemeinsam ist, die Wahrnehmung, die ein Spezificum aller Lebewesen,
24 Vgl. auch Wissenschaft und Methode 308ff.
25 Im Grunde sind diese von Aristoteles genannten Funktionen dieselben, die man
auch heute zur Definition des Lebens heranzieht.
 
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