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Kullmann, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1979, 2. Abhandlung): Die Teleologie in der aristotelischen Biologie: Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker. Vorgelegt von Werner Beierwaltes am 21. Oktober 1978 — Heidelberg: Winter, 1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.45473#0031
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Die Teleologie in der aristotelischen Biologie

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zeitig ist das Lebewesen zureichender Grund für die Existenz der Or-
gane50.
Es wird aus diesem Schema deutlich, daß die Teleologie, die z. B.
zwischen den Organen eines Tieres und dem Tier selbst obwaltet, zwi-
schen Tier und Mensch einen Bruch aufweist. Die Beschränkung auf
die „interne Finalität“ in den biologischen Schriften hat also keinen
vorläufigen Charakter, sondern ist fest im Gesamtgefüge des aristoteli-
schen Denkens verankert.
Es muß noch ein Wort zu der These von Furley51 gesagt werden,
daß Aristoteles in dem Dialog „Über die Philosophie“ (Hept cptXo-
crotpiag) oder einem anderen Dialog eine durchgehende Finalität im
Bereich des Lebendigen angenommen habe. Furley glaubt, daß die
antiteleologischen Argumente im Lehrgedicht des Lukrez gegen uns
verlorene Dialoge des Aristoteles gerichtet waren und nicht, wie all-
gemein angenommen wurde, gegen die Stoiker. In der Tat erwähnt
Lukrez die Stoiker nirgends ausdrücklich, und die These von Furley
wäre plausibel, wenn Lukrez im Wesentlichen direkt den Originalschrif-
ten Epikurs folgen würde. Denn Epikur hat sich zwar intensiv mit Ari-
stoteles auseinandergesetzt, von einem Angriff auf die Stoiker ist aber
nichts bekannt. Überdies ist die extrem anthropozentrische teleologische
Ausrichtung der Stoa erst durch Chrysipp erfolgt. Nun läßt sich aber
bei Lukrez mit Sicherheit in anderen Zusammenhängen Kenntnis stoi-
scher Lehre nachweisen. Der Kybelemythos oder das Motiv des golde-
nen Seils verraten z. B. in der Darstellung des Lukrez noch deutlich
Spuren der stoischen Mythenallegorese (II 600ff.; 1153ff.). Derartige
Partien setzen Exzerpte aus stoischen Texten als Vorlage des Lukrez
voraus, die ihm nur von Jungepikureern geliefert worden sein können,
so wie Philodem für Cicero Exzerpte verfertigte. Auch wenn bei Lukrez
Einflüsse des Philodem nicht nachweisbar sind, der nach dem Ausweis
der Papyri zusammen mit Siron in Herculaneum und Neapel eine Art
Schule unterhielt, so ist doch damit zu rechnen, daß er zumindest Ex-
zerpte von Leuten wie Phaidros von Athen und Zenon von Sidon zur
Verfügung hatte. Sobald aber an einigen Punkten Berücksichtigung der
Stoiker nachgewiesen ist, neigt sich auch an den anderen Punkten die
Waagschale zugunsten der Annahme, daß Lukrez jungepikureische Ex-
50 Zu diesem Regelfall der Finalität vgl. auch Phys. B 9 und den Kommentar von
H. Wagner, Aristoteles. Physikvorlesung (= Aristoteles’ Werke in dt. Übers.,
hrsg. v. E. Grumach, Bd. 11), Darmstadt 1967, 484f.
51 D. J. Furley, Lucretius and the Stoics, Bulletin of the Institute of Classical
Studies of the University of London, 13, 1966, 13 ff. bes. 29f.
 
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