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Wolfgang Kullmann
wird von dem zu ihm Hinstrebenden auch nicht afhziert. Gott ist Telos
des ersten Himmels; er übt auf diesen eine Anziehungskraft aus wie ein
geliebter Gegenstand (kivsi cbg EQcbpsvov), indem er ihn unbewegt dazu
sollizitiert, zu ihm hinzustreben, was dann zur ewigen Kreisbewegung
führt. Insofern ist Gott gleichzeitig Bewegungsursache. Wie in 1072 b 4
weiter gesagt ist, bewegt Gott als Unbewegter Beweger des ersten Him-
mels auch alles Übrige (Ktvoupsvco öe r&XXa kivei). Aber während seine
Wirkungsweise als Bewegungsursache im Hinblick auf die übrige Welt
nur indirekt erfolgt, ist er für alles Lebendige jeweils direkt Finalursache
(in dem angegebenen Sinne, daß er erstrebt wird, ohne davon afhziert
zu werden).
Ich komme jetzt zu den Stellen in den Fachschriften, die auf diese
Gedankengänge der Metaphysik Bezug nehmen. In De caelo B 12 geht
es um die Lösung einer Aporie. Warum nimmt die Zahl der Sphären-
bewegungen der Planeten nicht mit steigendem Abstand vom ersten
Himmel ständig zu, sondern haben die mittleren Planeten die meisten
Sphärenbewegungen? Aristoteles legt hier das Sphärenmodell des Eudo-
xos zur Erklärung der Planetenbahnen zugrunde und denkt also daran,
daß der erste Himmel nur eine Sphärenbewegung hat, der Saturn viel-
leicht mehrere, die folgenden mittleren Planeten noch mehr, Sonne und
Mond jedoch wieder weniger54. Seine Antwort lautet: Die Gestirne
bzw. ihre Sphären haben an Handeln und Leben teil. Die vollkomme-
neren brauchen nur weniger Handlungen zum Wohlbeßnden, die weni-
ger vollkommenen mehr, während schließlich einige dies Ziel überhaupt
nicht erreichen. Aristoteles vergleicht die verschiedenen Typen von Men-
schen. Manche Menschen bleiben ohne Sport gesund, manche mit wenig
Sport, andere mit mehr, wieder andere erreichen die Gesundheit trotz
ihrer Bemühungen überhaupt nicht. Schließlich stellt Aristoteles das
Handeln der Gestirne dem der Tiere und Pflanzen gegenüber. Während
also das Beste keiner Handlung bedarf, weil es selbst das Worum-willen
ist (d. h. das Ziel, oü evekcö, kann der Mensch durch viele Handlungen
das Gute erlangen, wohingegen die Aktivitäten der übrigen Lebewesen
weniger zahlreich sind und sich bei den Pflanzen auf nur eine reduzieren.
Pflanzen, Tiere, Mensch, Gestirne sind somit alle „unmittelbar zu Gott“;
54 Vgl. H. J. Easterling, Homocentric Spheres in 'de caelo’, Phronesis 6, 1961,
138ff., der gute Gründe dafür anführt, daß Aristoteles hier bereits unter Zugrunde-
legung des mathematischen Sphärenmodells des Eudoxos physikalische Rück-
laufsphären mitrechnet.
Wolfgang Kullmann
wird von dem zu ihm Hinstrebenden auch nicht afhziert. Gott ist Telos
des ersten Himmels; er übt auf diesen eine Anziehungskraft aus wie ein
geliebter Gegenstand (kivsi cbg EQcbpsvov), indem er ihn unbewegt dazu
sollizitiert, zu ihm hinzustreben, was dann zur ewigen Kreisbewegung
führt. Insofern ist Gott gleichzeitig Bewegungsursache. Wie in 1072 b 4
weiter gesagt ist, bewegt Gott als Unbewegter Beweger des ersten Him-
mels auch alles Übrige (Ktvoupsvco öe r&XXa kivei). Aber während seine
Wirkungsweise als Bewegungsursache im Hinblick auf die übrige Welt
nur indirekt erfolgt, ist er für alles Lebendige jeweils direkt Finalursache
(in dem angegebenen Sinne, daß er erstrebt wird, ohne davon afhziert
zu werden).
Ich komme jetzt zu den Stellen in den Fachschriften, die auf diese
Gedankengänge der Metaphysik Bezug nehmen. In De caelo B 12 geht
es um die Lösung einer Aporie. Warum nimmt die Zahl der Sphären-
bewegungen der Planeten nicht mit steigendem Abstand vom ersten
Himmel ständig zu, sondern haben die mittleren Planeten die meisten
Sphärenbewegungen? Aristoteles legt hier das Sphärenmodell des Eudo-
xos zur Erklärung der Planetenbahnen zugrunde und denkt also daran,
daß der erste Himmel nur eine Sphärenbewegung hat, der Saturn viel-
leicht mehrere, die folgenden mittleren Planeten noch mehr, Sonne und
Mond jedoch wieder weniger54. Seine Antwort lautet: Die Gestirne
bzw. ihre Sphären haben an Handeln und Leben teil. Die vollkomme-
neren brauchen nur weniger Handlungen zum Wohlbeßnden, die weni-
ger vollkommenen mehr, während schließlich einige dies Ziel überhaupt
nicht erreichen. Aristoteles vergleicht die verschiedenen Typen von Men-
schen. Manche Menschen bleiben ohne Sport gesund, manche mit wenig
Sport, andere mit mehr, wieder andere erreichen die Gesundheit trotz
ihrer Bemühungen überhaupt nicht. Schließlich stellt Aristoteles das
Handeln der Gestirne dem der Tiere und Pflanzen gegenüber. Während
also das Beste keiner Handlung bedarf, weil es selbst das Worum-willen
ist (d. h. das Ziel, oü evekcö, kann der Mensch durch viele Handlungen
das Gute erlangen, wohingegen die Aktivitäten der übrigen Lebewesen
weniger zahlreich sind und sich bei den Pflanzen auf nur eine reduzieren.
Pflanzen, Tiere, Mensch, Gestirne sind somit alle „unmittelbar zu Gott“;
54 Vgl. H. J. Easterling, Homocentric Spheres in 'de caelo’, Phronesis 6, 1961,
138ff., der gute Gründe dafür anführt, daß Aristoteles hier bereits unter Zugrunde-
legung des mathematischen Sphärenmodells des Eudoxos physikalische Rück-
laufsphären mitrechnet.