7. Die Aktualität der aristotelischen Biologie, insbesondere
im Bereich der Embryologie und Genetik
Es bleibt übrig, die Frage abschließend zu beantworten, ob die
Methode, die Reproduktionsvorgänge im Bereich der organischen Na-
tur nach der Analogie zu technischen Vorgängen zu verstehen, wirklich
als anthropomorpher Zug anzusehen ist und auf einer unzulässigen Über-
tragung von Vorstellungen vom menschlichen Handeln auf die Natur
beruht. Hier muß man nun sagen, daß die Entwicklung der Molekular-
biologie vor allem nach dem zweiten Weltkrieg Aristoteles und nicht
seinen Kritikern Recht gibt. Wir beschränken uns auf den Hinweis auf
einige Überlegungen in dem bekannten Buch des Nobelpreisträgers
Jacques Monod, Le hasard et la necessite, Paris 1970, wo viele der
Kategorien und Vorstellungen, die wir bei Aristoteles gefunden haben,
in ähnlicher Form wieder kehren, ohne daß dies dem Autor bekannt
ist106. Monod wendet sich sofort dem Verhältnis von Natur und Tech-
nik zu und fragt, welche objektiv meßbaren Kriterien es für die Unter-
scheidung von Artefakten und natürlichen Gegenständen gibt. Es fehlt
nicht die uns aus der „Physik“ des Aristoteles bekannte Erörterung des
Grenzfalls einer technischen Leistung bei Tieren. Monod erwähnt den
Bienenstock107. Er kommt schließlich dazu, ein Kriterium für das Vor-
handensein eines Artefakts darin zu finden, daß die makroskopische
Struktur eines Objekts durch Anwendung äußerer Kräfte gestaltet wurde,
und er sieht ein Kriterium für das Vorhandensein eines natürlichen
Gegenstandes darin, daß die Struktur durch interne Wechselwirkungen
entstanden ist, die auf einem autonomen Determinismus beruhen108.
Diese Unterscheidung entspricht genau der aristotelischen Unterschei-
dung zwischen Objekten, wo der Ursprung der Bewegung in einem
Anderen liegt (Techne) und solchen, wo er in dem Objekt selbst liegt
(Physis). Als weiteres Kriterium für das Vorhandensein eines Lebe-
wesens führt Monod die invariante Reproduktion an, die Aristoteles
ebenfalls nicht müde wird zu betonen. Aristoteles benutzt dafür, wie
gesagt, auch die Formel: Ein Mensch erzeugt einen Menschen109. Schließ-
106 Siehe oben S. 13 Anm. 19.
107 A.a.O. (Collection Points) 22 (= dt. Ausgabe 14).
108 A.a.O. 26ff. (= dt. Ausgabe 18ff.).
109 Einen ausführlichen Überblick über den Gebrauch dieser Formel gibt K. Oehler,
Das aristotelische Argument: Ein Mensch erzeugt einen Menschen, in: Einsich-
ten. Festschrift Krüger, Frankfurt 1962, 230 ff.
im Bereich der Embryologie und Genetik
Es bleibt übrig, die Frage abschließend zu beantworten, ob die
Methode, die Reproduktionsvorgänge im Bereich der organischen Na-
tur nach der Analogie zu technischen Vorgängen zu verstehen, wirklich
als anthropomorpher Zug anzusehen ist und auf einer unzulässigen Über-
tragung von Vorstellungen vom menschlichen Handeln auf die Natur
beruht. Hier muß man nun sagen, daß die Entwicklung der Molekular-
biologie vor allem nach dem zweiten Weltkrieg Aristoteles und nicht
seinen Kritikern Recht gibt. Wir beschränken uns auf den Hinweis auf
einige Überlegungen in dem bekannten Buch des Nobelpreisträgers
Jacques Monod, Le hasard et la necessite, Paris 1970, wo viele der
Kategorien und Vorstellungen, die wir bei Aristoteles gefunden haben,
in ähnlicher Form wieder kehren, ohne daß dies dem Autor bekannt
ist106. Monod wendet sich sofort dem Verhältnis von Natur und Tech-
nik zu und fragt, welche objektiv meßbaren Kriterien es für die Unter-
scheidung von Artefakten und natürlichen Gegenständen gibt. Es fehlt
nicht die uns aus der „Physik“ des Aristoteles bekannte Erörterung des
Grenzfalls einer technischen Leistung bei Tieren. Monod erwähnt den
Bienenstock107. Er kommt schließlich dazu, ein Kriterium für das Vor-
handensein eines Artefakts darin zu finden, daß die makroskopische
Struktur eines Objekts durch Anwendung äußerer Kräfte gestaltet wurde,
und er sieht ein Kriterium für das Vorhandensein eines natürlichen
Gegenstandes darin, daß die Struktur durch interne Wechselwirkungen
entstanden ist, die auf einem autonomen Determinismus beruhen108.
Diese Unterscheidung entspricht genau der aristotelischen Unterschei-
dung zwischen Objekten, wo der Ursprung der Bewegung in einem
Anderen liegt (Techne) und solchen, wo er in dem Objekt selbst liegt
(Physis). Als weiteres Kriterium für das Vorhandensein eines Lebe-
wesens führt Monod die invariante Reproduktion an, die Aristoteles
ebenfalls nicht müde wird zu betonen. Aristoteles benutzt dafür, wie
gesagt, auch die Formel: Ein Mensch erzeugt einen Menschen109. Schließ-
106 Siehe oben S. 13 Anm. 19.
107 A.a.O. (Collection Points) 22 (= dt. Ausgabe 14).
108 A.a.O. 26ff. (= dt. Ausgabe 18ff.).
109 Einen ausführlichen Überblick über den Gebrauch dieser Formel gibt K. Oehler,
Das aristotelische Argument: Ein Mensch erzeugt einen Menschen, in: Einsich-
ten. Festschrift Krüger, Frankfurt 1962, 230 ff.