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Kullmann, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1979, 2. Abhandlung): Die Teleologie in der aristotelischen Biologie: Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker. Vorgelegt von Werner Beierwaltes am 21. Oktober 1978 — Heidelberg: Winter, 1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.45473#0064
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Wolfgang Kullmann

lieh der Gedanke einer möglichen Höherentwicklung der Arten. Die
strikt kausale, „technische“ Erklärung der Reproduktionsvorgänge bei
den Lebewesen und die Logik seiner Finalitätsaussagen ist davon aber
nicht betroffen113.
Natürlich stellt sich die Frage, wie solche Modelle, wie sie von Ari-
stoteles oder Monod gebraucht werden, erkenntnistheoretisch zu beur-
teilen sind. Wieweit geht bei dem Modell Monods die Emanzipation
von anthropomorphen Vorstellungen? Wieweit vermittelt es trotz etwai-
ger solcher Züge wesentliche Einsichten? Wo hat es seine Grenzen? Es
würde das gestellte Ziel dieser Untersuchung übersteigen, darauf eine
Antwort zu versuchen. Es soll jedoch noch die wissenschaftsgeschicht-
liche Frage angeschnitten werden, in welchem Sinne man hier von einer
Aktualität des Aristoteles sprechen kann. Die Wirkungsgeschichte, die
vor allem die Schrift De generatione animalium bis ins 19. Jahrhundert
hinein gehabt hat, kann kaum überschätzt werden. Anders als in der
Physik, wo die Namen des Kopernikus, Galilei, Kepler und Newton
eine Abkehr vom Aristotelismus bezeichnen, verschwanden die biolo-
gischen Ansichten des Aristoteles nicht aus der Diskussion. Nach der
Wiederaufnahme der aristotelischen Biologie in der Renaissance findet
sich eine unbefangene Anknüpfung an Aristoteles und eine Weiterent-
wicklung z. B. bei dem Entdecker des Blutkreislaufes William Harvey
(1598-1657) in seinen „Excercitationes de generatione animalium“, Lon-
don 1651. Freilich breitete sich im Gefolge des neuen physikalischen
Weltbildes im 17. Jahrhundert auch in der Biologie ein starker Antiari-
stotelismus aus. Man bekämpfte die aristotelische Epigenesistheorie,
die man mit vitalistischen Positionen assoziativ verband und vertrat
vielfach einen strikten (vermeintlich antiaristotelischen) Mechanismus,
für den Gassendis und Descartes’ Lehren charakteristisch sind. Man
denke an Descartes’ Formulierung „bete machine“. Die Präformations-
lehre gewann trotz aller Beobachtungen und Einsichten des Aristoteles
eine beherrschende Stellung. In einem Zeitraum von über hundert Jahren
tobte innerhalb dieser Position der Kampf zwischen den Animalculisten,
die den Menschen in Miniatur im neuentdeckten Spermatozoon (1677)
vorgebildet glaubten, und den Ovisten, die das vermeintlich schon ent-
deckte Säugetierei114 als Ort der Präformation des Säugetiers einschließ-
113 Das Fehlen eines Zwangs, auch die Entstehung der Arten erklären zu müssen,
erleichtert für Aristoteles natürlich die technische Deutung der Reproduktions-
vorgänge. Insofern hatte - und hat - es die moderne Zeit schwerer.
114 Tatsächlich handelte es sich um die de GRAAFschen Follikel, die 1672 entdeckt
wurden.
 
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