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Peter Anselm Riedl
derartiges Denkmal zu setzen? Ist es nicht vielleicht wahrscheinlicher,
daß der Kleriker Camillo Fondi seinen vier verstorbenen Brüdern,
deren Erbnutznießer er 1562 wurde, über der Bestattungsstelle des
Ottaviano ein Erinnerungsmai stiftete? Immerhin enthält das Fresko
keinen Hinweis auf eine Einzelperson (etwa in Form einer Liegefigur
oder einer Portraitbüste). Natürlich bleibt angesichts des Verlustes der
Inschrift eine solche historische Rekonstruktion völlig spekulativ.
Zu Riccio hatten die Fondi zumindest über einen Familienzweig
Beziehung; der Künstler hatte, wie oben ausgeführt, kurz vor der Jahr-
hundertmitte nahe der Augustinerkirche für die Linie Guglielmi-
Fondi den repräsentativen Palast errichtet. In den ersten Jahren nach
der Einnahme Sienas wird man sicherlich wenig Sinn und Muße für
künstlerische Unternehmungen gehabt haben; zudem war Neroni
nach Lucca emigriert. So bleibt die Mutmaßung, daß Riccio das Fondi-
Grabmal während eines seiner Siena-Aufenthalte in den Jahren
zwischen etwa 1560 und 1571 entworfen und wohl auch eigenhändig
ausgeführt hat. Die für die Zeit und Region durchaus ungewöhnliche
Realisierung als Fresko mag mit der desolaten, eine weniger vergängli-
che Lösung verbietenden wirtschaftlichen Situation Sienas Zusammen-
hängen.
Daß die gesamte hier ausgerollte Argumentationskette ihre
Schwachstellen hat, ist mir wohl bewußt. Künftige Forschungen
mögen Korrekturen bringen oder sogar eine neue Urteilsbasis grün-
den. Die Mitteilung einer Reihe aufschlußreicher Informationen
schien mir die Aufstellung einiger gewiß anfechtbarer Hypothesen zu
rechtfertigen.
VI. ZUR BEDEUTUNG
Die Bedeutung des Fondi-Grabmals ist schwer und zum Teil wieder-
um nur hypothetisch zu entschlüsseln. Ich möchte mich hier nicht auf
die Genese so geläufiger Sepulkralmotive wie Totenschädel, gekreuzte
Knochen oder Kandelaber einlassen, sondern nach dem Sinn anderer
Elemente innerhalb des besonderen Kontexts fragen. Einige weiter
ausholende Überlegungen sind dabei unvermeidbar62.
62 Zur Ikonologie des Grabmals seien hier nur folgende grundlegende Unter-
suchungen genannt: E. Panofsky, Grabplastik, Köln 1964; K. Bauch, Das mittel-
alterliche Grabbild, Berlin/New York 1976; H. s’Jacob, Idealism and Realism, a
study of sepulchral symbolism, Leiden 1954.
Peter Anselm Riedl
derartiges Denkmal zu setzen? Ist es nicht vielleicht wahrscheinlicher,
daß der Kleriker Camillo Fondi seinen vier verstorbenen Brüdern,
deren Erbnutznießer er 1562 wurde, über der Bestattungsstelle des
Ottaviano ein Erinnerungsmai stiftete? Immerhin enthält das Fresko
keinen Hinweis auf eine Einzelperson (etwa in Form einer Liegefigur
oder einer Portraitbüste). Natürlich bleibt angesichts des Verlustes der
Inschrift eine solche historische Rekonstruktion völlig spekulativ.
Zu Riccio hatten die Fondi zumindest über einen Familienzweig
Beziehung; der Künstler hatte, wie oben ausgeführt, kurz vor der Jahr-
hundertmitte nahe der Augustinerkirche für die Linie Guglielmi-
Fondi den repräsentativen Palast errichtet. In den ersten Jahren nach
der Einnahme Sienas wird man sicherlich wenig Sinn und Muße für
künstlerische Unternehmungen gehabt haben; zudem war Neroni
nach Lucca emigriert. So bleibt die Mutmaßung, daß Riccio das Fondi-
Grabmal während eines seiner Siena-Aufenthalte in den Jahren
zwischen etwa 1560 und 1571 entworfen und wohl auch eigenhändig
ausgeführt hat. Die für die Zeit und Region durchaus ungewöhnliche
Realisierung als Fresko mag mit der desolaten, eine weniger vergängli-
che Lösung verbietenden wirtschaftlichen Situation Sienas Zusammen-
hängen.
Daß die gesamte hier ausgerollte Argumentationskette ihre
Schwachstellen hat, ist mir wohl bewußt. Künftige Forschungen
mögen Korrekturen bringen oder sogar eine neue Urteilsbasis grün-
den. Die Mitteilung einer Reihe aufschlußreicher Informationen
schien mir die Aufstellung einiger gewiß anfechtbarer Hypothesen zu
rechtfertigen.
VI. ZUR BEDEUTUNG
Die Bedeutung des Fondi-Grabmals ist schwer und zum Teil wieder-
um nur hypothetisch zu entschlüsseln. Ich möchte mich hier nicht auf
die Genese so geläufiger Sepulkralmotive wie Totenschädel, gekreuzte
Knochen oder Kandelaber einlassen, sondern nach dem Sinn anderer
Elemente innerhalb des besonderen Kontexts fragen. Einige weiter
ausholende Überlegungen sind dabei unvermeidbar62.
62 Zur Ikonologie des Grabmals seien hier nur folgende grundlegende Unter-
suchungen genannt: E. Panofsky, Grabplastik, Köln 1964; K. Bauch, Das mittel-
alterliche Grabbild, Berlin/New York 1976; H. s’Jacob, Idealism and Realism, a
study of sepulchral symbolism, Leiden 1954.