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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 1. Abhandlung): Der Gott Achilleus: vorgetr. am 5. Mai 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45478#0021
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Der Gott Achilleus

11

Des weiteren aber zeigt die hier wie dort fast identische Grundstruktur
Άχίλλευς ό γάς Σκυθίκας μέδεις (bei Alkaios)
und
Άχιλλήι Λευκής μεδέοντι u.ä. (auf den Inschriften),
daß es sich um eine im Kult dieses Gottes gebräuchliche Formel der An-
rede gehandelt hat, die sich über Jahrhunderte erhielt und so für die fe-
ste Tradition seiner Verehrung im Schwarzmeergebiet schon in der
Frühzeit bürgt.14 Nun hat Μ. H. Jameson in einem Vortrag, der wie die-
se meine Ausführungen erstmals auf dem Internationalen Epigraphi-
kerkongreß in Konstanza im September 1977 dargeboten wurde, das
wesentlichste Material zu der auch sonst verbreiteten Formel zusam-
mengestellt und erörtert, wobei sich ihr ionischer Ursprung nahe legt.15
Daß man auf Lesbos, wo der Dichter Alkaios diese Form der Anrede an
den Gott in der Du-Form gebraucht, überhaupt Kenntnis vom Kult des
Gottes Achill weit oben im Norden besaß, braucht uns schon angesichts
der starken Aüsstrahlung des lonertums, also auch der kolonisierenden
Heroen abzusetzen. Neuerdings äußert sich speziell zur Sagengestalt Achilleus K.
Schefold, Götter- und Heldensagen der Griechen in der spätarchaischen Kunst 1978,
S. 204: «Heroen wie Achill sind wilde Recken einer Vorzeit, die in Homers Welt
menschlicher verstanden werden. Aber oft erkennt man doch Spuren der ursprüngli-
chen Dämonie.» Noch näher dem Richtigen kommt W. Burkert a.O. 319f.; er nennt
in ähnlichem Zusammenhang den «Herakles Heros und Gott zugleich, heros theos,
wie Pindar sagt» (Nem. 3,22).
14 Ein Blick in die Lexika genügt, um zu sehen, daß das δς μέδεις Teil einer geprägten
Götteranrede ist (z.B. für Poseidon δς ... γλαύκας μέδεις άλδς ... Aristoph., Frö. 665
frei nach Soph., fr. 342 N.; für Dionysos δς ... μέδεις ... παγκοινοϊς Έλευσινίας
Δηοϋς εν κόλποις Soph. Antig. 1117ff.; entsprechend μεδέων c. gen. von Zeus und
anderen Göttern wie Hermes und Apollon seit Homer mehrfach). Befremdlich, daß
man bisher noch nicht die auch formelhaft so nahe Verwandtschaft der oben im Text
verglichenen Stellen erkannt und zur Erklärung des Phänomens verwendet hat. (Die-
se vor Kenntnis des Vortrags von Μ. H. Jameson — s. gleich unten — konzipierte Anm.
wurde beibehalten, da ihre Beispiele zum Teil bei ihm nicht aufgeführt sind.)
15 Μ. H. Jameson, A Bosporan Cult Epithel. Vortragsmanuskript 1977, mir vom Verf.
freundlich zur Verfügung gestellt. Danach begegnet die Formel (mit μεδέων oder
μέδων u.ä. c.gen., oder seltener auch c.dat.) in der Dichtung vorwiegend bei Homer
und in den homerischen Hymnen, bei Hesiod, im attischen Skolion und in der Tragö-
die und Komödie, inschriftlich im westkleinasiatischen Schwarzmeergebiet (dorthin
offensichtlich von Milet aus eingeführt, aber außer auf Achill auch auf Aphrodite Ura-
nia, Hekate und Artemis bezogen). Auffallend ist, daß die Wendung fast nur auf
Gottheiten angewendet erscheint, die andernorts ihren Sitz oder ihren Hauptkultort
haben. So findet sie sich in Verbindung mit Athena fast ausschließlich außerhalb
Athens, vorwiegend inschriftlich auf den Inseln, z.B. auf Horoi ihres Heiligtums auf
Kos und ebenso mehrfach auf Samos.
 
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