12
Hildebrecht Hümmel
Stadt Milet, in die Nachbarschaft nicht zu wundem,16 abgesehen davon
daß im nahen Umkreis von Achills Grab am Sigeion die Kunde von sei-
nem anderen bedeutenden Kult im Schwarzmeergebiet an sich ver-
ständlich ist.
Daß Alkaios mit dem Hinweis auf Skythien nicht etwa das barbari-
sche Hinterland des nördlichen Pontosgebiets gemeint haben kann, daß
er also seinen Anruf nicht an eine skythische Gottheit gerichtet hat,
dürfte nach all dem wohl klar sein. Vielmehr muß sich die Epiklese ein-
deutig auf die wenige Generationen zuvor begonnene griechische Kolo-
nisation am Rande der Σκυθική beziehen, für die damals der Achiileus-
kult schon so spezifisch war, wie wir es auch aus den nicht viel späteren
inschriftlichen Quellen entnehmen können.17 Daß wir die milesische
Kolonisation im Norden des Schwarzen Meeres nicht zu spät ansetzen
dürfen,18 ergibt sich aus der Tatsache, daß die <Aithiopis>, ein Klein-
16 Daß auch für uns nicht mehr klar durchschaubare Zusammenhänge, die sich auf den
Namen der Insel Leuke beziehen, mit im Spiel sind, darf angenommen werden: Les-
bos im Nordosten vorgelagert war eine Inselgruppe mit dem Namen Leuke (s. Bürch-
ner RE XII 1925, Sp. 2209), die Th. Zielinski, Klio 23. 1930, S. 15 mit dem Sprung
Deukalions vom Leukadischen Felsen (Ovid, Epist. Heroid. 15, 167f.) in Verbindung
gebracht hat. Dieser Name wird mehrfach als dissimiliert aus Leukalion erklärt (s.
Tümpel RE V 1905, Sp. 275, und Hj. Frisk, Gr. etymol. Wtrbch. II 1970, S. 109).
Auch wird Makar, der Gründerheros von Lesbos, in der Sage mit ihm zusammenge-
rückt (Tümpel 272). Der Name seiner Gattin Pyrrha entspricht dem des lesbischen
Hafenorts Pyrrha (über ihn s. Μ. Paraskevaidis RE XXIV 1963, Sp. 1403ff.) und zu-
dem auch dem Tarnnamen des Achilleus während seiner Verkleidung als Mädchen
auf Skyros (H. v. Geisau RE XXIV 78). Wenn Leuke, Leukadischer Fels etc. auf vor-
griechischen Bezeichnungen beruhen, so wurden sie verständlicherweise früh dem
Griechischen angepaßt und volksetymologisch mit λευκός zusammengebracht. Da
dies im einzelnen vielfach noch im unklaren bleibt, sind die im Vorangehenden ange-
deuteten Assoziationen als nur am Rande vermerkt zu betrachten. Entscheidend
bleibt allein die Tatsache, daß um die Wende des 7./6. Jh. der lesbische Sänger Al-
kaios einen Hymnos auf Achilleus, den Gott der Schwarzmeerkolonien, gedichtet und
dabei dessen später bezeugten Namen Pontarches bereits deutlich umschrieben hat.
17 Dazu s. O. Gruppe, Griech. Mythologie und Religionsgesch. I 1906, S. 222 m. Anm.
1-4. 389f. 683a. Jetzt vor allem E. Diehl RE 7ff.
18 Zu der Frage hat neuerdings die Forschung mehrfach Stellung genommen, wozu vor
allem die neueren Grabungen in Olbia aufschlußreiches Material lieferten. Allgemein
hält man jetzt einzelne Vorstöße der milesischen Kolonisten spätestens in der Mitte
des 7. Jh. für möglich, datiert jedoch ihre Festsetzung an der Küste vorsichtiger frühe-
stens in die 2. Hälfte des 7. Jh. Siehe dazu Belin de Ballu, Olbia 1972, 17ff. A. Waso-
wicz, Olbia Pontique 1975, 30ff. Von beiden noch nicht verwendet ist ein scharfsinni-
ger und gelehrter Aufsatz, den ich der Freundlichkeit des Verf. verdanke (die Über-
setzung derjenigen von Chr. Barck — dasselbe gilt auch für die unten Anm. 28 genann-
te Abhandlung von J. G. Vinogradov): J. G. Vinogradov, Aus der Geschichte des ar-
Hildebrecht Hümmel
Stadt Milet, in die Nachbarschaft nicht zu wundem,16 abgesehen davon
daß im nahen Umkreis von Achills Grab am Sigeion die Kunde von sei-
nem anderen bedeutenden Kult im Schwarzmeergebiet an sich ver-
ständlich ist.
Daß Alkaios mit dem Hinweis auf Skythien nicht etwa das barbari-
sche Hinterland des nördlichen Pontosgebiets gemeint haben kann, daß
er also seinen Anruf nicht an eine skythische Gottheit gerichtet hat,
dürfte nach all dem wohl klar sein. Vielmehr muß sich die Epiklese ein-
deutig auf die wenige Generationen zuvor begonnene griechische Kolo-
nisation am Rande der Σκυθική beziehen, für die damals der Achiileus-
kult schon so spezifisch war, wie wir es auch aus den nicht viel späteren
inschriftlichen Quellen entnehmen können.17 Daß wir die milesische
Kolonisation im Norden des Schwarzen Meeres nicht zu spät ansetzen
dürfen,18 ergibt sich aus der Tatsache, daß die <Aithiopis>, ein Klein-
16 Daß auch für uns nicht mehr klar durchschaubare Zusammenhänge, die sich auf den
Namen der Insel Leuke beziehen, mit im Spiel sind, darf angenommen werden: Les-
bos im Nordosten vorgelagert war eine Inselgruppe mit dem Namen Leuke (s. Bürch-
ner RE XII 1925, Sp. 2209), die Th. Zielinski, Klio 23. 1930, S. 15 mit dem Sprung
Deukalions vom Leukadischen Felsen (Ovid, Epist. Heroid. 15, 167f.) in Verbindung
gebracht hat. Dieser Name wird mehrfach als dissimiliert aus Leukalion erklärt (s.
Tümpel RE V 1905, Sp. 275, und Hj. Frisk, Gr. etymol. Wtrbch. II 1970, S. 109).
Auch wird Makar, der Gründerheros von Lesbos, in der Sage mit ihm zusammenge-
rückt (Tümpel 272). Der Name seiner Gattin Pyrrha entspricht dem des lesbischen
Hafenorts Pyrrha (über ihn s. Μ. Paraskevaidis RE XXIV 1963, Sp. 1403ff.) und zu-
dem auch dem Tarnnamen des Achilleus während seiner Verkleidung als Mädchen
auf Skyros (H. v. Geisau RE XXIV 78). Wenn Leuke, Leukadischer Fels etc. auf vor-
griechischen Bezeichnungen beruhen, so wurden sie verständlicherweise früh dem
Griechischen angepaßt und volksetymologisch mit λευκός zusammengebracht. Da
dies im einzelnen vielfach noch im unklaren bleibt, sind die im Vorangehenden ange-
deuteten Assoziationen als nur am Rande vermerkt zu betrachten. Entscheidend
bleibt allein die Tatsache, daß um die Wende des 7./6. Jh. der lesbische Sänger Al-
kaios einen Hymnos auf Achilleus, den Gott der Schwarzmeerkolonien, gedichtet und
dabei dessen später bezeugten Namen Pontarches bereits deutlich umschrieben hat.
17 Dazu s. O. Gruppe, Griech. Mythologie und Religionsgesch. I 1906, S. 222 m. Anm.
1-4. 389f. 683a. Jetzt vor allem E. Diehl RE 7ff.
18 Zu der Frage hat neuerdings die Forschung mehrfach Stellung genommen, wozu vor
allem die neueren Grabungen in Olbia aufschlußreiches Material lieferten. Allgemein
hält man jetzt einzelne Vorstöße der milesischen Kolonisten spätestens in der Mitte
des 7. Jh. für möglich, datiert jedoch ihre Festsetzung an der Küste vorsichtiger frühe-
stens in die 2. Hälfte des 7. Jh. Siehe dazu Belin de Ballu, Olbia 1972, 17ff. A. Waso-
wicz, Olbia Pontique 1975, 30ff. Von beiden noch nicht verwendet ist ein scharfsinni-
ger und gelehrter Aufsatz, den ich der Freundlichkeit des Verf. verdanke (die Über-
setzung derjenigen von Chr. Barck — dasselbe gilt auch für die unten Anm. 28 genann-
te Abhandlung von J. G. Vinogradov): J. G. Vinogradov, Aus der Geschichte des ar-