Metadaten

Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0012
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
10

Werner Beierwaltes

Gegensatz zu neuzeitlichem Bewußtsein für griechisches Denken bis
zur Spätantike hin nicht primär ästhetische, sondern ethische Bedeu-
tung. Das Schöne ist nicht ohne das Gute zu begreifen, sondern eher
von diesem her; es ist eine Erscheinungsform oder Entäußerung des
Guten, ein Anzeichen dafür, daß eine bestimmte Seins- oder Existenz-
form in ihren Sinn oder in ihre Vollendung gekommen ist; beim
Menschen ist es die gelungene innere Lebensform oder die ihn be-
stimmende ethische Grundhaltung, die Platon als 'arete’ oder
„Tugend“ benennt. Wenn seit der Spätantike auch explizit Schönheit
zumindest als nicht trennbar von Kunst oder gar als deren Prinzip
gedacht wird, dann ist „Ästhetik“ aus dem Geiste der Ethik geboren.
Diese Herkunft bleibt insofern wirksam, als Kunst auch ethisch be-
deutend wird: Das Schöne als Erscheinungsform des Guten im Me-
dium der Kunst rechtfertigt es, diese unter einem ethischen, für die
Gestaltung der Lebens Wirklichkeit in gewisser Weise normativen
Aspekt zu sehen.
I
Platons 'Symposion’3 stellt sich als ein Kranz von Reden über
Wesen und Macht des Eros dar. Dessen Bezug zum Schönen wird
in den verschiedensten Sichtweisen durchgespielt. Die philosophisch
bedeutsamste und aus dem Zentrum platonischen Denkens heraus
gesprochene ist die letzte der Reden, in der die Seherin Diotima
Sokrates unterweist - analog einer Einweihung in die Mysterien4 5.
Sie enthält eine der aufschlußreichsten Erörterungen der Theorie der
Idee aus Platons mittlerer Zeit. In diesem Zusammenhang sicher
nicht-beliebiges Paradigma der Idee ist das Schöne (xoAov). Innerhalb
des Horizonts der Frage nach dem Wesen oder der Idee des Schönen
thematisiert Platon die für den Erkenntnisprozeß und für das Verständ-
nis der Situation des Menschen wesentliche Kraft: den Eros. Personali-
sierend und im Anklang an den Mythos wird er zunächst" als 'daimon’
vorgestellt. Alles Daimonische aber ist seinem Sein und Wirken nach
im Sinne der zugrundeliegenden Definition ein „Mittleres“ (p-cra^u)
3 Vgl. G. Krügers Interpretation des platonischen Denkens am Paradigma des
'Symposion’ in: Einsicht und Leidenschaft, Frankfurt 19482 (Auszug daraus in:
Eros und Mythos bei Plato, Klostermann Texte Philosophie, hg. v. R. Schaeffler,
Frankfurt 1978).
4 Symp. 210 a 1; Phaedr. 250 c.
5 Symp. 202 d ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften