Metadaten

Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0018
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
16

Werner Beierwaltes

„Ebene der Wahrheit“: auf ihr erst, d.h. im Bereich des reinen In-
telligiblen erscheint dem vom Eros bestimmten Erkennenden die
Schönheit an sich - in „reinem Glanz“23. Die schönen Dinge - „am
klarsten strahlend“24 - sind so der Reflex des Lichts der Schön-
heit an sich, der Ansatzpunkt zu dessen Erkenntnis. Was aber im
Lichte der Schönheit an sich erscheint, ist das Gute und das Wahre
selbst. Da Platon den Gedanken nahe legt, Wahrheit sei das von ihm
selbst her „Unverborgene“ des Seins im eigentlichen Sinne, wäre
die Formulierung zu wagen: das Schöne oder die Schönheit ist die
Wahrheit des Guten, das Gute nämlich in seiner Unverborgenheit
oder Offenheit.
Die bisher erörterten Bestimmungsmomente des Begriffes Schön-
heit werden differenziert und erweitert durch eine implikationsreiche
Reflexion des 'Philebos’ (64 eff). Der Begriffskontext, von dem her
das Schöne hier bestimmt wird, ist wirkungsgeschichtlich nicht nur
für die Konzeption des Schönen etwa bei Augustinus oder in der
frühen und späteren Ästhetik des Mittelalters maßgebend geworden,
sondern ebensosehr für den Symmetrie- und Harmonie-Begriff
der Renaissance - Palladio z. B. ist undenkbar ohne diese platonische
Voraussetzung. Platon geht an der genannten Stelle der Frage nach,
wie aus verschiedenen Prinzipien oder Elementen eine Einheit
(„Mischung“) zustande kommen könne25. Als schön ist eine Mi-
schung oder Einheit dann zu verstehen, wenn jeder Bestandteil mit
dem anderen kompatibel ist. Diese Kompatibilität ist das Maß der
Einheit, ihr 'metron’ oder 'symmetron’. Ohne Maß zerstört sie sich
selbst. Im Maß aber bestimmt sich das Gute; das Schön-Sein einer
Mischung gründet daher im Guten: Gut-Sein wie Schön-Sein jeder
Mischung ist also durch Maß oder Maßhaftigkeit, Entsprechung oder
Übereinkunft konstituiert. „Die Natur des Guten ist uns jetzt in die
Natur des Schönen entflohen: Maßhaftigkeit nämlich und Symmetrie
ist Schönheit und Tugend“26. Diese „Flucht“ oder das Sich-Zurück-
ziehen des Guten in das Schöne - eine Formulierung relationaler
Identität -, wird noch einmal entfaltet: „Wenn wir also nicht mit
einer Gestalt (iöea) das Gute erjagen können, indem wir es mit
23 250 b 5 f. c 4.
24 250 d 2.
25 Für das Folgende vgl. meine Abhandlung „Aequalitas numerosa. Zu Augustins
Begriff des Schönen“, in: Wissenschaft und Weisheit 38, 1975, 145f.
26 64 e 5ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften