Metadaten

Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0020
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
18

Werner Beierwaltes

der intelligiblen Welt“ als einen „sinnlich wahrnehmbaren Gott“30,
weil er höchstes Regel-Maß und dadurch höchstes Maß an Sinnhaftig-
keit überhaupt repräsentiert. Schönheit ist damit verstehbar als etwas,
was durch ein rationales oder mathematisches Verhältnis sich zur Ge-
stalt bestimmt - ein inneres durch „Vernunft“ geleitetes Zusammen-
stimmen von Teilen oder Elementen zu einer Einheit. - Gemäß der
pythagoreischen Tradition, in der der 'Timaios’ steht, sind die kosmo-
logischen Kategorien ebensosehr musikalische. Es zeigt die norma-
tive Kraft des Kosmos und den intensiven Bezug des Menschen zu
ihm an, wenn Musik und Tanz durch Nachahmung des im Kosmos
sichtbar werdenden Göttlichen und Geordneten Vollzugsformen des
Schönen selbst sind: „Wer in der rechten Weise singt und tanzt, der
singt und tanzt Schönheit“. Von daher mag auch Platons besondere
Aufmerksamkeit auf bestimmte - ethisch relevante - Rhythmen und
Melodien einigermaßen plausibel werden: Musik und Tanz sind
äußere Anzeichen einer inneren Verfaßtheit des Menschen und wirken
zugleich auf diese bildend zurück. Innerlich schön wird deshalb der
Mensch nur dann, wenn er sich selbst „rhythmisiert“ oder in der
Geordnetheit des Kosmos das Göttliche selbst nachahmt, um es in
seiner eigenen Grundhaltung durch Gerechtigkeit, Frömmigkeit und
Einsicht analog darzustellen31. Grundvoraussetzung dieser Möglich-
keit des Menschen, die er realisieren soll, ist die Erkenntnis des
Seins im eigentlichen Sinne, der Idee, die im kosmisch Schönen
als dessen Grund sichtbar wird und eine das Bewußtsein um-
formende Kraft hat. So ist sie zugleich „Induktion“ der inneren
Schönheit.
II

Der Horizont der Frage nach dem Schönen ist am Anfang der
Schrift Platins „Über das Schöne“ (Enn. I 6) im Sinne des plato-
nischen 'Symposion’ entworfen. Vom Schönen könne in vielfältiger
Weise gesprochen werden: im Bereich des Sicht- und Hörbaren
(Musik und Rhythmus), aber auch im Bereich geistiger Tätigkeit, in
den Wissenschaften und zuletzt im Bereich universaler menschlicher
(ethischer) Praxis; in ihr realisiert sich das Schöne als Tugend.
30 Tim. 92 c 7.
31 Theaet. 176 b. Resp. 500 c. Tim. 90 aff. Phaedr. 247ff: Einübung der ipu/T]
auf das (die Seele verwandelnde) Sehen der Idee im üeio<; %op6<;.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften