Marsilio Ficinos Theorie des Schönen im Kontext des Platonismus
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zumindest eine Spur des Ähnlichen (des „Verwandten“, 1,10). Der An-
blick eines sich von außen zeigenden - innerlich - Ähnlichen oder
Verwandten initiiert in der Seele eine Wiedererinnerung an sich selbst
und an das, was zu ihr gehört. Das Schöne fixiert also den denken-
den Blick nicht auf sich selbst als äußere Erscheinung, sondern ist
unmittelbar Grund für die Rückführung des Denkens in sich selbst
und damit auf dessen und des Schönen eigene Konstituentien. Wenn
beide Bereiche, der sirmenfällige und der rein geistige oder intelligible
in je verschiedenem Sinne „schön“ genannt werden, was verbindet
sie dann?
Die allgemeinste Antwort Plotins lautet: die Teilhabe an der
Gestalt (p-Evo/f] eiöovc;: 2,13). Das Form-Lose soll Form und Ge-
stalt werden; das, was der Gestalt nicht teilhaftig ist - identisch
mit dem Grenzelosen, Unbestimmten und Diffusen -, ist mit dem
Häßlichen gleich zu denken; Gestalt aber ist (göttlicher) logos (2,15):
eine in sich abgegrenzte oder bestimmte Form von Vernunft oder
Denken, das als Gestalthaftes auch oder nur als solches formulier-
bar ist. Es liegt hier eine aus Platons 'Timaios’ herkommende
Vorstellung zugrunde: daß die Materie als das 'chaos’, das Rein-
Mögliche, welches in sich noch ungeordnet und deshalb in sich ohne
Gestalt ist, dem 'Nus’ als dem intelligiblen Prinzip „weicht“, dieses
aufnimmt und so selber zu Gestalt oder Ordnung kommt. Diese
Ordnung, der Kosmos - aus der widerständigen Unordnung ('An-
anke’) in Ordnung überfuhrt -, ist selber ein schönes Bild (ayaÄp,a)
des Urbildes; was also an ihm selbst schön ist, verdankt es seiner
Herkunft, dem Paradigma Nus. Die Schönheit der Gestalt oder Form
ist demnach für Platon im kosmologischen Sinne ebensosehr wie
für Plotin in universalem Sinne intelligibel begründet. Die Be-
stimmungselemente des Begriffes „schön“, die Plotin der Symmetrie-
Definition gegenübersetzt, sind konsequenterweise diese: schön ist
das, was teilhat an Gestalt oder logos, durch Gestalt und logos
in eine in sich bestimmte Einheit gefügt wird, sei dies durch die
Natur oder durch die Kunst. Wenn Gestalt und logos nicht etwa
die äußere Form einer Sache meinen, sondern deren inneres Struk-
turprinzip - das begründende Intelligible, dann ist die Identifikation
von Gestalt und „Idee“ gerechtfertigt. Die zu der nicht-geformten
Materie „hinzukommende“ Gestalt oder der hinzukommende logos
macht also das un-förmig materielle durch sich, d. h. durch sein
immanentes Wirken, zu einer auch äußerlich sichtbaren Gestalt
oder Form. Die Idee wird damit zum Grund der scheinenden Form:
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zumindest eine Spur des Ähnlichen (des „Verwandten“, 1,10). Der An-
blick eines sich von außen zeigenden - innerlich - Ähnlichen oder
Verwandten initiiert in der Seele eine Wiedererinnerung an sich selbst
und an das, was zu ihr gehört. Das Schöne fixiert also den denken-
den Blick nicht auf sich selbst als äußere Erscheinung, sondern ist
unmittelbar Grund für die Rückführung des Denkens in sich selbst
und damit auf dessen und des Schönen eigene Konstituentien. Wenn
beide Bereiche, der sirmenfällige und der rein geistige oder intelligible
in je verschiedenem Sinne „schön“ genannt werden, was verbindet
sie dann?
Die allgemeinste Antwort Plotins lautet: die Teilhabe an der
Gestalt (p-Evo/f] eiöovc;: 2,13). Das Form-Lose soll Form und Ge-
stalt werden; das, was der Gestalt nicht teilhaftig ist - identisch
mit dem Grenzelosen, Unbestimmten und Diffusen -, ist mit dem
Häßlichen gleich zu denken; Gestalt aber ist (göttlicher) logos (2,15):
eine in sich abgegrenzte oder bestimmte Form von Vernunft oder
Denken, das als Gestalthaftes auch oder nur als solches formulier-
bar ist. Es liegt hier eine aus Platons 'Timaios’ herkommende
Vorstellung zugrunde: daß die Materie als das 'chaos’, das Rein-
Mögliche, welches in sich noch ungeordnet und deshalb in sich ohne
Gestalt ist, dem 'Nus’ als dem intelligiblen Prinzip „weicht“, dieses
aufnimmt und so selber zu Gestalt oder Ordnung kommt. Diese
Ordnung, der Kosmos - aus der widerständigen Unordnung ('An-
anke’) in Ordnung überfuhrt -, ist selber ein schönes Bild (ayaÄp,a)
des Urbildes; was also an ihm selbst schön ist, verdankt es seiner
Herkunft, dem Paradigma Nus. Die Schönheit der Gestalt oder Form
ist demnach für Platon im kosmologischen Sinne ebensosehr wie
für Plotin in universalem Sinne intelligibel begründet. Die Be-
stimmungselemente des Begriffes „schön“, die Plotin der Symmetrie-
Definition gegenübersetzt, sind konsequenterweise diese: schön ist
das, was teilhat an Gestalt oder logos, durch Gestalt und logos
in eine in sich bestimmte Einheit gefügt wird, sei dies durch die
Natur oder durch die Kunst. Wenn Gestalt und logos nicht etwa
die äußere Form einer Sache meinen, sondern deren inneres Struk-
turprinzip - das begründende Intelligible, dann ist die Identifikation
von Gestalt und „Idee“ gerechtfertigt. Die zu der nicht-geformten
Materie „hinzukommende“ Gestalt oder der hinzukommende logos
macht also das un-förmig materielle durch sich, d. h. durch sein
immanentes Wirken, zu einer auch äußerlich sichtbaren Gestalt
oder Form. Die Idee wird damit zum Grund der scheinenden Form: