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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0025
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Marsilio Ficinos Theorie des Schönen im Kontext des Platonismus

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Nus ist und als solches das sinnlich erscheinende Schöne durch logos
oder reflexives Denken der Ideen begründet. Wenn der Kontrast
zum Schönen, das Häßliche, von Plotin als „tot“, „außen“, „unten“
oder „dunkel“ (4,37ff) bezeichnet wird, dann ist das Schöne: das
Lebendige, das Innere, das Obere und das Lichte36.
Der anamnetische, zur Selbstvergewisserung führende Rückgang
der Seele in sich selbst, der Prozeß von Abstraktion und Reinigung
also macht die Seele selber zum eidos und logos, d. h. sie wird
als ganze intelligibel, transformiert sich in Geist. Weil Geist selbst
durch seinen reflexiven Akt Schönheit begründet, wird die Seele
in eben dieser abstrahierenden Umformung auch selbst schön, sie
erreicht die ihr eigentümliche Schönheit (6,18); dadurch erst wird sie
im eigentlichen Sinne sie selbst (19. 7,27). Wenn sie sich im Rück-
gang in sich selbst in den Nus als in ihren eigenen Grund oder ihr
eigentliches Selbst erhebt, dann wird sie durch das Ähnlichwerden
mit diesem als Einheit von 'gut’ und 'schön’ sich zeigenden 'wah-
ren Sein’ selbst im wahren Sinne seiend, gut und schön.
Während Plotin in I 6,7,30f das Gute - mit dem Einen identisch -
als erste oder im höchsten Sinne seiende Schönheit denkt, welche
zugleich schön macht, modifiziert er später diesen Gedanken von
einem radikaleren Begriff des Einen her. Wenn das Eine als das in
sich relationslose Nicht-Viele keine „Form“ sein kann, weil Form
immer eine differenzierende Aussage und damit die Seinsweise des
begrenzten oder in sich bestimmten „Etwas“ impliziert, dann kann es,
weil andererseits Schönheit und Form oder Gestalt untrennbar sind,
nicht auch Schönheit sein37 38. Wenn daher das Eine vor dem Etwas
und daher das schlechterdings Form-Lose oder Über-Seiende ist,
dann ist es konsequenterweise auch „über“ der Schönheit: Plotins
Benennung des Einen als „Schönheit über Schönheit“ (xaAAoc; ünFp
xaÄÄoc;), als „Überfluß“ an Schönheit (xEptoucna toü xaÄÄovü oder
„Über-Schönes“ (wepxcAov) zeigt sowohl die Herausgehobenheit des
Einen aus dem Bereich, der im eigentlichen Sinne als schön gedacht
wird, als auch sein Schön-Sein im eminenten Sinne an; es ist die
Blüte oder die Spitze des Schönen, toü xaAou avüoü8- Gestalt-
36 I 6,5,39. 3,24. 9,43: TrÄTjv exei rö xaAov.
37 Vgl. VI 7,32 und 33.
38 xaÄXoc; imep xa/Xoi;: VI 7,32,29. xepiovcna tol> xaAXoxx;: ebd. 32,33. üxepxaXov:
33,20. toC xcdou ävüo<;: 32,31. Analog zu diesem Gedanken: V 8,13,11: der
„Vater“ ist „größer“, als daß er mit „Schönheit“ benannt werden könnte.
 
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