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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0026
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Werner Beierwaltes

losigkeit des Einen und die damit verbundene Unmöglichkeit des
Einen, Schönheit im Sinne der Form oder eines umgrenzten Etwas
zu sein, intensiviert die „Schönheit“ des Einen zum konstituierenden
Ursprung und maßgebenden Ziel von Schönheit als noetischer
Form oder als psychischer Selbstgestaltung (äp/fj xaAAouc; xcd ttspaq
xaAAouc;, VI 7,32,33). Das als Form oder Gestalt zugängliche, im
„eigentlichen“ Sinne auch so zu benennde Schöne ist demnach die
sich selbst begrenzende Erscheinung des Ursprungs: Form als „Spur
des Form-losen“ (VI 7,33,30). Diese aber ist mit dem zeitfreien und
daher absoluten Nus identisch, auf den auch der durch Zeit be-
stimmte Geist des Menschen durch Eros bezogen ist39. Wesen des
Nus ist reine Selbstreflexion. Durch sie ist alles im Nus Differente
zu einer Einheit in oder trotz der Differenz gefugt. „Durchscheinend
ist Alles und nichts Dunkles und nichts Widerständiges ist dort, son-
dern Jeder und Jedes ist Jedem ins Innere offenbar; Licht ist näm-
lich dem Licht (durchsichtig). Denn Jeder hat auch Alles in sich
und sieht im Anderen Alles, so daß überall Alles ist und Alles
Alles und Jedes Alles und unermeßlich der Glanz“40. Das Differente,
d. h. das je verschiedene intelligibel Seiende oder die je einzelne
Idee ist „perspektivisch“ auf das Ganze hin gedacht, als Element
einer dynamischen Einheit; das Ganze aber kann nur vom Einzelnen
her und durch es begriffen werden. Das Bewegende im in sich „stän-
digen“ Ganzen ist das Denken: es ist reines, unermüdbares Leben41,
eine sich nicht diskursiv, d. h. nicht im argumentierenden Nachein-
ander vollziehende oocpia42, sondern eine die Differenz des Einzelnen
bewahrende, sie aber doch - durch sie hindurch - in eine dynami-
sche Identität fügende Reflexion: „Wissenschaft selbst“ (cdrro-
stuavppp) oder der Grund alles Wissens43.
Was im Nus ist, ist er selbst. Deshalb denkt er in dem, was
er selbst ist, sein eigenes Sein. Wenn das in sich differenzierte
39 V 8,13,12. - Terminologisch beachtenswert: xodUovf) (VI 7,33,22) als Weise des
Ursprungs, äquivalent dem önepxaAov, dagegen xaÄÄoc; als Benennung der kon-
stituierten oder als solche erscheinenden Schönheit. - Das „erste Schöne“ ist
im Gegensatz zu I 6 nun der Nus.
40 V 8,4,4 ff.
41 Ebd. 4,34.
42 Ebd. Z. 36f.
43 V 8,6 wird die Bilderschrift (Hieroglyphen), die Vieles als Einheit durch die
Einheit des einen Bildes zu verstehen gibt, als Verweis auf die integrale Einheit
des Nus vorgestellt.
 
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