Metadaten

Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0036
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
34

Werner Beierwaltes

stehen wollte82. Schönheit ist vielmehr eine dem Seienden insgesamt
und dem Kunstwerk im besonderen innerliche, intelligible Struktur.
Diese durchdringt auch das Sinnliche und Materielle, indem es
dieses gestaltet, zu einer Form von Einheit fügt und so als im In-
telligiblen gründendes aber doch „außer“ diesem Wirkendes im
sinnenfälligen Schönen erscheint. Als so gedachte intelligible Struk-
tur ist das Schöne allerdings „Symmetrie“ in einem differenzierteren
Sinne: maßvolles Zusammenstimmen (commensuratio, oder: concin-
nitas und consonantia)83 - dies wieder als eine Form von gratia im
Bereich ethischer Haltung (Maß [temperantia] als rechte Mischung),
des auf Gestalt bezogenen Sehens und auf Harmonie (consonantia)
hin gerichteten Hörens84. Leitend für diesen Begriff von Schönheit
und damit auch für einen 'internalisierten’ Begriff von Symmetrie
ist eine Konzeption aktiver, d. h. einigender Einheit. So sind im Ge-
folge Augustins und des Thomas, aber auch in Anlehnung an Pla-
tons 'Philebos’, ordo, modus (Maß, Ausmaß) und species (Gestalt
und Form) als Wirkungs- und Erscheinungsformen von Einheit
Bestimmungen auch des Schönen. Die durch ordo - modus - species
begründete Relationalität von Teilen oder Elementen fügt sich zu
einem Ganzen oder zu einer Gestalt. Die drei Grundzüge sind

82 A V 3; 184. Kommentar zu Plot. I 6,1 (Opera II 1575). Vgl. auch oben Anm. 33
(Cicero).
83 Tendenz zu einer intelligiblen Symmetrie (commensuratio): Plotin-Kommentar,
Opera II 1575. concinnitas, consonantia: A I 4; 142. II 9; 159. - A 183f
macht Ficino deutlich, daß die Schönheit nicht in einer äußerlichen, materiell
gedachten 'commensuratio’ oder 'dispositio partium’ bestehen könne, also nicht
identisch sei mit „äußerer Gestalt“ (figura, corporea species), sondern im Sinne
Plotins eine geistige, die äußere Erscheinung von innen her bestimmende Wesen-
heit oder Dynamis sei (incorporeum aliquid, spiritale quoddam, alibi quam in
materiae fluvio [quaerendum]). Von daher wird auch einsichtig, daß die absolute,
göttliche Schönheit der Grund ist für die Welt insgesamt als eine „schöne Er-
scheinung“ oder Erscheinung des Schönen an sich - metaphorisch gesagt: er-
scheinende Schönheit als „Glanz oder Grazie des göttlichen Angesichts“, das in
drei „Spiegeln leuchtet“ (mens, animus, corpus, A 185), oder Welt als 'pictura’
(mundi pictura, A 185), die von ihrem Grund her dann nur als „Selbstporträt
Gottes“ (sui ipsius imago) verstanden werden kann (vgl. Cusanus, de visione dei
25: [deus] quasi pictor [Opera, ed. Faber Stapulensis, Paris 1514, p. 113v20fl]). -
Zu 'concinnitas’ als rhetorischer Kategorie vgl. Cicero, Orator 44, 149. Dieser
Aspekt der Tradition ist auch für Albertis Definition von Schönheit bestimmend
(z. B. De re aedificatoria IX 5).
84 A I 4, 142 (u. a. zum Musikalisch-Schönen). II 9; 159.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften