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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0038
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Werner Beierwaltes

fahrung des sinnlich Schönen aus der Sinnlichkeit in den intelli-
giblen Seins- und Verstehensgrund des erscheinenden Schönen
zurückzunehmen: dies ist 'amor’, das Pendant zu epox; und ipdia,
die den Menschen bestimmende und verwandelnde Antwort auf den
„Anspruch“ des Schönen. Von daher ist die durchgängige Bestim-
mung von amor verstehbar: impetus ad illam (pulchritudinem) uni-
versalis dicendus est amor, oder: amor fruendae pulchritudinis desi-
derium, oder: verus enim amor nihil est aliud quam nixus quidam
ad divinam pulchritudinem evolandi, ab aspectu corporalis pulchri-
tudinis excitatus89. Amor oder Eros ist so die Denken und Affekt
in sich vereinigende Kraft der Vermittlung - magnus demon - zwi-
schen dem Bereich des Sinnlichen und Intelligiblen, der Erscheinung
des Schönen und deren Grund; im Sinne des platonischen Mythos
gesprochen: zwischen 'Armut’ und 'Reichtum’ (geminae Veneres). Er
fuhrt das Viele, Getrennte, Einzelne in die ursprüngliche und gerade
innerhalb der Dimension von Materie, Abbildhaftigkeit und Differenz
zu intendierende Einheit zurück90.
Der Begründungshorizont dieses Gedankens zeigt sich in Ficinos
Reflexion auf die Universal- oder Welt-Seele. Eine Reflexion hier-
auf ist sachlich aufschlußreich für eine genauere Erkenntnis des dif-
ferenzierten Fundaments von Ficinos Theorie des Schönen: die onto-
logische und kosmologische Grundlegung dieses Begriffs aus der ab-
soluten Einheit, Wahrheit und Gutheit, deren Wirkung sich in dem
Prinzip 'Seele’ fortsetzt und entfaltet.
Welt-Seele ist für neuplatonisches Denken der kosmologische
Aspekt der Wirkung des Einen im Seienden. Sie ist als eine re-
flexive Kraft die unmittelbare Ursache für die Geordnetheit und Har-
monie der Welt, sie stiftet und garantiert die mathematisch konzi-
pierte Analogie, als das „schönste Band“91 verbindet sie das Einzelne
89 A VII 15; 260. Vgl. auch II 9; 159. V 4; 185. Zur Reichweite des Begriffes
'amor’ vgl. J. Ch. Nelson, Renaissance Theory of Love, New York 1958, 75 ff.
P. 0. Kristeller, Die Philosophie des Marsilio Ficino, Frankfurt 1972, 245 ff und
R. Marcels 'Introduction’ zu seiner Ausgabe von 'De Amore’ 49ff.
90 A VI 8; 21 If. Duae in nobis Veneres: A II 7; 154. VI 7; 209f. Botin VI
9,9,29ff (auf Plat. Symposion zurückgehend). A IV 6; 176f: reducit ... in in-
tegrum restituendo.
91 Plat. Tim. 31 b 6ff; 32 c 2; 41 b 5ff. Zur neuplatonischen Problemstellung vgl.
W. Beierwaltes, Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik, Frankfurt 19792, 153 ff
(Analogie als Struktur und Bewegungsprinzip von Welt); 217ff (Welt als ein kon-
tinuierlicher Kreis), Ders., Platonismus und Idealismus, Frankfurt 1972, 141 ff.
 
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