Thukydides und die Anfänge der athenischen Arche
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Überlieferung21. Kurz gesagt: Plutarch hat das wesentliche Ereignis des
Jahres 478, über das er zu berichten wußte, den Übergang der Hege-
monie (des Oberbefehls über die Flotte) von den Lakedaimoniern auf
die Athener, wie einen Wettstreit um die Gunst der Bundesgenossen
beschrieben und die Kontrahenten dabei in grellen Farben gezeichnet.
Die historische Hauptsache der Kapitel 22-24 ist also der Wechsel in
der Hegemonie, auf welche die Lakedaimonier freiwillig verzichteten.
In Kapitel 24 beschreibt Plutarch ausführlich die Art und Weise, in der
Aristeides die Beiträge der Bundesgenossen regelte, ohne daß wir auch
nur ein Wort über ein neues Bündnis hörten. Die kurze Stelle über den
Eid der Hellenen und Athener, die übrigens jedes konkreten Inhaltes
entbehrt, folgt erst im Kap. 25, ohne daß Plutarch sie in einen greif-
baren Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Text gestellt hätte.
Der Eid ist auch kein konstitutives Element für den Fortgang der Ereig-
nisse. Bei Plutarch wird der Eid, den Aristeides für Athen leistete, als
eine selbständige Handlung geschildert, deren Zusammenhang mit dem
vorher beschriebenen Hegemoniewechsel zwar als möglich, aber keines-
wegs als selbstverständlich angenommen werden darf. Die logische Folge
der Ereignisse liegt im Übergang der Hegemonie von den Lakedaimo-
niern auf die Athener22.
Ganz deutlich scheint hingegen Aristoteles den Eid auf die Übertra-
gung der Hegemonie an die Athener zu beziehen, denn er berichtet in
demselben Satz von der Verteilung des Phoros und vom Austausch der
Eide (διό και τούς φόρους οδτος ήν ό τάξας ταΐς πόλεσιν τούς πρώ-
τους . .. και τούς δρκους ώμοσεν τοΐς ’Ίωσιν ώστε τον αύτόν έχθρόν
είναι καί φίλον). Auffällig ist jedoch, daß Aristoteles zur Bezeichnung
der Partner des Aristeides in beiden Handlungen verschiedene Begriffe
verwendet: die Abgaben werden den Städten (ταΐς πόλεσιν) auferlegt,
während die Eide mit den Ioniern ausgetauscht werden (τοΐς ’Ίωσιν).
Es ist an sich schon merkwürdig, daß Aristoteles ohne Notwendigkeit
das Objekt der Handlung zweimal nennt. Merkwürdiger ist jedoch, daß
21 Das gilt zum Beispiel für die episodenhafte Nachricht, daß insbesondere die
Nauarchen und Strategen der Chier, Samier und Lesbier dem Aristeides zugeredet
hätten, die Hegemonie zu übernehmen (a.O. 23,4). Es fällt auf, daß die Chier,
die Samier und die Lesbier die einzigen sind, die Herodot namentlich als neue
Mitglieder der hellenischen Symmachie nennt (IX 106,4), nachdem er zuvor den
Streit über die Verpflanzung der Ionier beschrieben hat. Man hat nicht den Ein-
druck, als ob hier eine selbständige Überlieferung vorliege.
22 H. Schaefer, Staatsform 69 bezieht den Eid auf die veränderte Regelung der Bei-
träge; sicher zu unrecht, da die beiden Dinge nicht zusammenpassen.
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Überlieferung21. Kurz gesagt: Plutarch hat das wesentliche Ereignis des
Jahres 478, über das er zu berichten wußte, den Übergang der Hege-
monie (des Oberbefehls über die Flotte) von den Lakedaimoniern auf
die Athener, wie einen Wettstreit um die Gunst der Bundesgenossen
beschrieben und die Kontrahenten dabei in grellen Farben gezeichnet.
Die historische Hauptsache der Kapitel 22-24 ist also der Wechsel in
der Hegemonie, auf welche die Lakedaimonier freiwillig verzichteten.
In Kapitel 24 beschreibt Plutarch ausführlich die Art und Weise, in der
Aristeides die Beiträge der Bundesgenossen regelte, ohne daß wir auch
nur ein Wort über ein neues Bündnis hörten. Die kurze Stelle über den
Eid der Hellenen und Athener, die übrigens jedes konkreten Inhaltes
entbehrt, folgt erst im Kap. 25, ohne daß Plutarch sie in einen greif-
baren Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Text gestellt hätte.
Der Eid ist auch kein konstitutives Element für den Fortgang der Ereig-
nisse. Bei Plutarch wird der Eid, den Aristeides für Athen leistete, als
eine selbständige Handlung geschildert, deren Zusammenhang mit dem
vorher beschriebenen Hegemoniewechsel zwar als möglich, aber keines-
wegs als selbstverständlich angenommen werden darf. Die logische Folge
der Ereignisse liegt im Übergang der Hegemonie von den Lakedaimo-
niern auf die Athener22.
Ganz deutlich scheint hingegen Aristoteles den Eid auf die Übertra-
gung der Hegemonie an die Athener zu beziehen, denn er berichtet in
demselben Satz von der Verteilung des Phoros und vom Austausch der
Eide (διό και τούς φόρους οδτος ήν ό τάξας ταΐς πόλεσιν τούς πρώ-
τους . .. και τούς δρκους ώμοσεν τοΐς ’Ίωσιν ώστε τον αύτόν έχθρόν
είναι καί φίλον). Auffällig ist jedoch, daß Aristoteles zur Bezeichnung
der Partner des Aristeides in beiden Handlungen verschiedene Begriffe
verwendet: die Abgaben werden den Städten (ταΐς πόλεσιν) auferlegt,
während die Eide mit den Ioniern ausgetauscht werden (τοΐς ’Ίωσιν).
Es ist an sich schon merkwürdig, daß Aristoteles ohne Notwendigkeit
das Objekt der Handlung zweimal nennt. Merkwürdiger ist jedoch, daß
21 Das gilt zum Beispiel für die episodenhafte Nachricht, daß insbesondere die
Nauarchen und Strategen der Chier, Samier und Lesbier dem Aristeides zugeredet
hätten, die Hegemonie zu übernehmen (a.O. 23,4). Es fällt auf, daß die Chier,
die Samier und die Lesbier die einzigen sind, die Herodot namentlich als neue
Mitglieder der hellenischen Symmachie nennt (IX 106,4), nachdem er zuvor den
Streit über die Verpflanzung der Ionier beschrieben hat. Man hat nicht den Ein-
druck, als ob hier eine selbständige Überlieferung vorliege.
22 H. Schaefer, Staatsform 69 bezieht den Eid auf die veränderte Regelung der Bei-
träge; sicher zu unrecht, da die beiden Dinge nicht zusammenpassen.